

Foto: Andreas Walz
Sie alle lobten Rüdelstein, Chefarzt für Innere Medizin am Krankenhaus St. Elisabeth in Mayen, der als Motor hinter der Idee dieser außergewöhnlichen Kooperation gilt.
Der Kardiologe aber nutzte die Gelegenheit, um zu erklären, warum der Weg zu dem Netzwerk für ihn und die anderen Beteiligten ein „Höllenritt, ein Riesenkampf“ war. Denn obwohl alle Kliniken erkannt hätten, dass die Kooperation Patientenleben retten wird, habe es starke wirtschaftliche Bedenken gegeben. „Der Grund ist, dass die Krankenhäuser mit dem Rücken an der Wand stehen. Sie haben Angst, und Angst ist kein guter Ratgeber. Das ist keine Erfindung der Eifel, keine Erfindung von Rheinland-Pfalz. Das ist bundesweit so“, sagte Rüdelstein.
Hintergrund ist, dass in dem Netzwerk nur Rüdelsteins Kardiologie über ein Katheterlabor verfügt. Die anderen Kliniken hatten also Sorge, dass sie Patienten nach Mayen oder an die anderen Partnerkliniken verlieren könnten. Dem wird jetzt dadurch Rechnung getragen, dass Herzinfarktpatienten, die kathetert werden müssen, 24 bis 48 Stunden nach dem Eingriff an ihr Heimatkrankenhaus zurücküberwiesen werden. Dies geschieht vor allem auch im Interesse der Patienten und ihrer Angehörigen, die sich oftmals eine wohnortnahe Versorgung wünschen. Außerdem nimmt der jeweilige Notarzt oder Rettungsassistent künftig zunächst Kontakt mit seinem Standortkrankenhaus auf, um diesem die Livestream-Bilder mit dem Patienten-EKG zu übermitteln. Der dortige Kardiologe entscheidet dann, ob er den Patienten selbst versorgen kann oder ob dieser kathetert werden muss.
Rüdelstein zeigte Verständnis für diese Bedenken. Zugleich beklagte er jedoch, dass sich der Kompass verstellt habe: „Wir gucken nur noch nach der Wirtschaftlichkeit. Und das halte ich für einen bedenklichen Ansatz.“ Schließlich sei ein Krankenhaus ein Ort, „wo Menschen für Menschen arbeiten“. Dazu gehörten auch Kaufleute. „Die dürfen aber nicht allein auf der Brücke des Schiffes stehen. Denn sonst wird es vor die Klippen fahren. Ich glaube, dass wir wieder alle steuernd auf diese Brücke gehören.“ Denn: „Wenn sich die Schrauben nur noch aus ökonomischen Gesichtspunkten bewegen, dann wird diese Schraube irgendwann überdreht. In der Pflege ist die Sollbruchstelle längst erreicht.“ Wenn er seine Kollegen in der Pflege nach den Gründen für ihre schlechte Stimmung frage, dann antworteten diese: „Uns fehlt die Zeit für den Patienten. Die haben wir wegrationalisiert. Die haben wir in sinnlose Bürokratie verfrachtet.“
Deshalb habe er auch Angst vor den Qualitätskriterien, die der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten und Kassen derzeit erarbeitet und an deren Erfüllung sich künftig die Bezahlung von Behandlungen in den Kliniken orientieren soll. Besonders die ländlichen Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz fürchten, dass sich diese Kriterien stark an Mindestmengen orientieren, die sie schon heute nicht erreichen. Qualität sei wichtig, führe aber zu mehr Bürokratie, sagte Rüdelstein. „Vor einem Patienten zu stehen und seinen Namen zu kennen, ist viel schöner.“ Und: „Wenn wir die Wertschätzung für diese elementar wichtige Arbeit nicht steigern, werden wir künftig keine Mitarbeiter mehr finden.“
Mit Sorge sieht der Chefarzt auch die Zukunft der Versorgung auf dem Land. „Es gibt den Begriff der letzten Wiese – das ist diejenige, die als erstes vertrocknet, weil bis dort kein Wasser mehr kommt. Die letzte Wiese der Gesundheitsversorgung ist nicht Köln, Bonn, Berlin, auch nicht Mainz oder Koblenz. Die letzte Wiese, das sind wir, die fünf Krankenhäuser, die sich jetzt zu einem Herzinfarktnetzwerk zusammengeschlossen haben.“ Und wenn man dies nicht auch mit finanziellen Anreizen belohne, „dann steht da irgendwann nichts mehr auf der letzten Wiese“.
Rüdelstein appellierte an die Politik: „Ich wünsche mir eine Landesregierung, die in Berlin als Stimme der Vernunft auftritt, damit dort vernünftige Lösungsansätze gefunden werden.“ Lösungen, wie man sie jetzt in guter Zusammenarbeit mit dem Mainzer Ministerium beim Höllenritt zum Herzinfarktnetz Eifel gefunden habe.