Rheinland-Pfalz

Einzelhandel: Bedürfnis an Regionalität wächst

Für den Einzelhandelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz hat sich seit „Kauf lokal“, der Aktion unserer Zeitung aus dem vergangenen Jahr, einiges zum Positiven verändert.

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Für Christoph Krepele, gleichzeitig Vorsitzender des Vorstands „Alle lieben Koblenz-Stadtforum“, wird der Handel vor Ort stärker wahrgenommen. Dennoch sieht er in einem verschärften Wettbewerb weiterhin Probleme für den kleineren Einzelhändler. Das Interview im Wortlaut.

Für Christoph Krepele wird der heimische Einzelhandel inzwischen wieder stärker wahrgenommen.
Für Christoph Krepele wird der heimische Einzelhandel inzwischen wieder stärker wahrgenommen.
Foto: honorarfrei

Vor rund einem Jahr hat unsere Zeitung die „Kauf lokal“-Initiative gestartet. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Die Erwartung ist, unseren Kunden bewusst werden zu lassen, wie leistungsfähig der stationäre Handel ist und wie viel mehr Freude es sein kann, vor Ort zu kaufen. Erkennbar ist eine offene Diskussion und ein Nachdenken über die eigenen Kaufgewohnheiten. Der stationäre Handel wird wieder stärker wahrgenommen mit seinen einsatzbereiten Mitarbeitern, als Arbeitgeber, als Kommunikations- und Erlebnisort, als Dienstleister, der Qualität und ein umfangreiches Angebot zu bieten hat. Das Bedürfnis der Regionalität ist wieder bewusster geworden.

Sehen Sie konkret Bereiche, in denen sich etwas zum Positiven verändert hat?

Die Erkenntnis und die Bereitschaft der Kommunen, die Aufenthalts- und Gestaltungsqualität der Innenstädte zu verbessern, ist erkennbar gestiegen. Gleichzeitig auch die Bereitschaft und Notwendigkeit von gemeinsamen Aktivitäten innerhalb einer Handelsgemeinschaft, um seinen örtlichen Einzelhandelsmarkt zu stärken. Und schließlich auch, die Attraktivität der einzelnen Geschäfte zu stärken.

Welche Probleme des heimischen Einzelhandels bestehen weiterhin?

Es bleibt ein verschärfter Wettbewerb der verschiedenen Handelsformen: Kaufhäuser, Shopping-Center, Grüne Wiese, Großflächen, kleiner individueller Einzelhandel, Versandhandel, Factory-Outlet, Onlinehandel. Den gab es immer, aber dieser Wettbewerb ist intensiver geworden. Problematisch bleibt die häufige Situation, kapitalstarker Großanbieter – das kann auch der Onlinehändler sein – gegen den kleineren, weniger kapitalstarken Einzelhändler. Der hat dann aber seine Individualität und seine Charme bildende Funktion für eine Innenstadt dagegenzusetzen.

Haben Sie ein anderes Kunden- und Kaufverhalten feststellen können?

Handel muss heute bequem und komfortabel sein. Komplizierte oder schlechte Erreichbarkeiten, künstliche Behinderungen des Individualverkehrs und Vernachlässigung eines gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs oder Fahrradverkehrs werden nicht mehr akzeptiert. Der Kunde orientiert sich dorthin, wo er am ehesten ein gutes Angebot in einer angenehmen Atmosphäre in einer bequemen Erreichbarkeit vorfindet. Das bedeutet: Nicht nur Handelsformen, sondern auch Handelsstandorte sind ernsthafte Konkurrenten. Das ist der oft zitierte Wettbewerb der Städte und der Regionen. Eine Chance auch für die kleineren Städte ist: Qualität vor Größe.

Hat der Einzelhandel sein Engagement in jüngster Zeit in neue Bahnen gelenkt?

Heutiges Ziel ist es vor allem, Besucher in die eigene Stadt zu lenken. Verstärktes Engagement zu innovativen Serviceoffensiven und Engagement bei einem aktiven Stadtmarketing oder Mitsprache in der Stadt- oder Standortpolitik ist erkennbar. Neuansiedlungen von Großflächen oder neuen Vertriebsformen, etwa eines Factory-Outlets werden nicht immer nur begrüßt: Für den Verbraucher mag das zunächst attraktiv erscheinen, allerdings sind solche Ansiedlungen oftmals sehr schnell mit einer Zerstörung ganzer Handelslandschaften und damit der Zerstörung von attraktiven Innenstädten verbunden. Es gibt viele sehr tragische Beispiele. Das kann auch nicht im Sinne der Bürger und der Verbraucher sein.

Aber Einkauf soll für viele heute immer mehr Erlebnis sein – sehen auch Sie darin ein Erfolgsrezept?

Ganz klar: Die reine Versorgungsfunktion des Handels ist längst passé. Einkaufen ist auch Freizeitgestaltung, Bedarfsdeckung kann somit auch mit Freizeit verbunden werden. Handel darf nicht langweilig sein, deshalb ist der Handel auch auf ständigen Wandel und auf Neuigkeiten angewiesen. Handel muss sich heute verstärkt verknüpfen mit einem guten Angebot an Gastronomie, Kultur und Freizeit.

Sie sprachen die Online-Konkurrenz an, die in vielen Bereichen Marktanteile gewinnt. Wie kann das (kleine) Geschäft vor Ort dagegenhalten?

Der Onlinehandel hat noch vergleichsweise einen geringen Marktanteil – er wird allerdings überproportional wahrgenommen und wächst sehr stark. Er ersetzt durchaus vielfach Teile des Discount-Geschäfts und des früheren Kataloggeschäfts, und natürlich bedient er auch den klassischen Einzelhandelskonsum. Auch wenn im Online-Handel fast unbegrenzte Rückgaberechte gewährt werden und auch hervorragende Beschreibungen geboten werden, so kann der ortsansässige Handel seine Ware zum Anfassen präsentieren und hat ganz andere Möglichkeiten, für seine Ware zu begeistern.

Mit Qualität des Angebots, des Geschäfts und der Kundenbetreuung muss der Vor-Ort-Handel sich hervorheben. Vor allem muss die Aufenthaltsqualität des Geschäftes und der Einkaufsstadt von hoher Anziehungskraft sein. Eine moderne und funktionierende Einkaufsstadt präsentiert sich in einem spannenden Mix aus Handel, Gastronomie, Kultur und Freizeit. Der stationäre Handel muss über neue Serviceleistungen nachdenken, beispielsweise: Gepäckaufbewahrung, Zustellservice, verknüpfende Angebote und über weitere innovative Ideen.

Das Gespräch führte unser Chefreporter Markus Kratzer