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Rheinland-Pfalz

Pressekonferenz von Innenminister Lewentz: Zwischen bürgerlichem Protest und Extremismus

Von Gisela Kirschstein
Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen von Land und Bund haben seit Mai immer mehr zugenommen, maßgeblich motiviert durch die „Querdenker“-Bewegung. Mittlerweile bilden die Demonstrationen ein Sammelbecken für Rechtsextreme und „Reichsbürger“.  Foto: Ditscher (Archiv)
Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen von Land und Bund haben seit Mai immer mehr zugenommen, maßgeblich motiviert durch die „Querdenker“-Bewegung. Mittlerweile bilden die Demonstrationen ein Sammelbecken für Rechtsextreme und „Reichsbürger“. Foto: Ditscher (Archiv)

Die „Querdenker“-Szene und Corona-Leugner-Proteste werden zunehmend von Rechtsextremisten und „Reichsbürgern“ unterwandert – und die Proteste radikalisieren sich rasant und mit hoher Gewaltbereitschaft. Davor warnte nun der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD): „Verläuft die Entwicklung so weiter, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich ein Extremismus neuer Art etablieren könnte“, sagte Lewentz in Mainz. Der Verfassungsschutz werde deshalb das Corona-Protestgeschehen genau unter die Lupe nehmen.

Lesezeit: 3 Minuten
Seit Mai machen Corona-Leugner und -Kritiker unter der Führung der sogenannten Querdenker-Bewegung auf Demonstrationen Stimmung gegen die Corona-Maßnahmen, aber zunehmend auch gegen die demokratischen Institutionen selbst. So riefen rechtsextreme Teilnehmer der Berliner „Querdenker“-Demonstration Ende August zum „Sturm auf den Reichstag“ auf und schwenkten auf den Treppen des Parlamentsgebäudes die Reichskriegsflagge, ...
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Lewentz fordert: AfD als Ganzes beobachten

Nach den Vorfällen im Deutschen Bundestag fordert Innenminister Roger Lewentz (SPD) eine Beobachtung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz. Lewentz spricht von „Reichstagsexzessen“, das „infame Gebaren der AfD im Bundestag“ sei ohne Beispiel in der bisherigen bundesdeutschen Geschichte. „Eine Ausdehnung der Beobachtung auf die Gesamtpartei muss vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse mit Priorität und Nachdruck geprüft werden“, sagte Lewentz.

AfD-Abgeordnete hatten am 18. November Vertreter der „Querdenker“-Bewegung als Gäste in den Reichstag gelassen, die danach mehrere Bundestagsabgeordnete sowie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in den Fluren bedrängten und beschimpften. „Ich sehe in diesem Verhalten einen gezielten Angriff auf die parlamentarische Demokratie“, betonte Lewentz, „mit diesem Tun hat sich die Partei ein gutes Stück entlarvt.“ „Das sind längst keine Einzelfälle mehr, antidemokratisches Gedankengut prägt die AfD mittlerweile als Ganzes“, unterstrich der Minister. Rheinland-Pfalz werde die bisherige gezielte Beobachtung von Teilen der Partei weiterhin fortführen.

Bislang stehen bundesweit die Jugendorganisation Junge Alternative sowie der rechtsextreme „Flügel“ unter Beobachtung. Lewentz betonte jedoch, nun müsse eine Beobachtung der Gesamtpartei geprüft werden, das werde er in die nächste Innenministerkonferenz Anfang Dezember tragen. „Was sich am 18. November für alle sichtbar offenbarte“, kritisierte Lewentz, „das ist derselbe Ungeist und erinnert an die Bilder, die schon einmal den Weg in den Abgrund mit geebnet haben.“ Mit ihrem Verhalten, Einschüchterungen frei gewählter Abgeordneter den Weg zu ebnen sowie Begriffe wie „Ermächtigungsgesetz“ zu verwenden, versuche die AfD nicht nur, eine Demokratie mit der nationalsozialistischen Diktatur gleichzusetzen. „Es ist vor allem eine Verhöhnung der Menschen, die Opfer dieses damaligen Staates wurden“, fügte Lewentz hinzu. gik

Polizei: Es darf nicht der Eindruck entstehen, wir ließen die Rechten laufen

Auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Rheinland-Pfalz sieht man den Umgang der Polizei mit den „Querdenker“-Kundgebungen durchaus kritisch: „Wir wünschen uns auch, dass da früh eingegriffen wird“, sagte die stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Stefanie Loth im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir als Gewerkschaft gucken da auch nicht gern zu und nehmen das oft auch nur kopfschüttelnd zur Kenntnis.“

Allerdings seien polizeiliche Abläufe vor Ort oft auch gar nicht so einfach, erklärte Loth: „Die Ausgangslage ist: Da treffen sich Menschen zum Demonstrieren, und das dürfen die auch.“ Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut, viele dieser Kundgebungen von Gerichten zudem erlaubt worden. Würden dann erste Verstöße von Teilnehmern gemeldet, beginne das Prüfen. Die Vorgehensweise sei meist, erst einmal mehrfach hintereinander zum Einhalten der Regeln aufzufordern. „Wir gehen nicht gern in die Einsätze rein, weil wir wissen: Polizistinnen und Polizisten werden angespuckt oder angehustet“, sagte Loth.

Die Entscheidung, ob eine Versammlung aufgelöst werde, müsse aber der Polizeiführer treffen, „der unter Umständen aber ja nicht selbst vor Ort ist“, sagte Loth. Der Polizeiführer müsse sich wiederum auch mit der Versammlungsbehörde abstimmen, auch dieser Vorgang könne dauern.

Zudem gilt es laut der Gewerkschafterin, das Grundrecht auf Demonstration mit dem Recht auf Gesundheit und Infektionsschutz in Einklang zu bringen – und das Demonstrationsrecht sei nun einmal ein sehr hohes Gut. „Ich kann verstehen, dass es für einen Außenstehenden ärgerlich ist, wenn das dauert“, sagte Loth, sie betonte aber auch: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, wir ließen die Rechten laufen.“ gik

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