Zweibrücken/Alzey

Bei der Haarspende zählt jeder Zentimeter: Wie Friseure ihren Kunden Gutes tun wollen

Von Wolfgang Jung
Große Ausbeute für Perückenmacher: Die 24-jährige Kundin Jasmina Strobel präsentiert abgeschnittene Zöpfe, die sie eigens für eine Haarspende wachsen ließ. Überall in Deutschland gibt es Partnergeschäfte unter den Friseuren, die mit entsprechenden Portalen kooperieren. Fotos: dpa
Große Ausbeute für Perückenmacher: Die 24-jährige Kundin Jasmina Strobel präsentiert abgeschnittene Zöpfe, die sie eigens für eine Haarspende wachsen ließ. Überall in Deutschland gibt es Partnergeschäfte unter den Friseuren, die mit entsprechenden Portalen kooperieren. Fotos: dpa Foto: dpa

Mancher Mensch mit Haarausfall trägt eine Perücke mit Haaren aus Rheinland-Pfalz – meist, ohne es zu wissen. Denn ein kahler Kopf kann zwar attraktiv sein, willkommen und mit Absicht ist das aber nicht immer. Die Lösung heißt oft: ein Toupet. Dabei ist echtes Haar bei Perückenmachern begehrt. Hier kommen Jasmina Strobel und Tina Hamm ins Spiel. Strobel lässt alle paar Jahre ihre Haare bis zu 40 Zentimeter lang wachsen. Tina Hamm schneidet sie ab – in ihrem Friseurladen in Zweibrücken, als Haarspende. Wer die Haare irgendwann trägt, weiß sie nicht. „Es würde mich interessieren, wo die landen.“

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An diesem Tag sitzt Jasmina Strobel vor dem Spiegel im Friseursessel, dahinter Tina Hamm mit einem Lineal. Sorgfältig misst sie die Haarlänge. „Für eine Spende brauchen wir mindestens 25 Zentimeter, sonst wird das nichts. Ich musste leider schon Kunden abweisen“, erzählt die Friseurmeisterin. Bei ihrer Stammkundin passt aber alles. Auch Friseur John Marco Patschull, der im Laden arbeitet, ist zufrieden.

Tina Hamm weiß noch genau, wie alles anfing. „Vor vier, fünf Jahren hat die Tochter einer Stammkundin gesagt, dass sie Haare spenden würde. Nachdem sie mir Details erzählt hatte, dachte ich: Das ist ja eine tolle Sache!“ Die Friseurin registrierte sich bei einem Internetportal. „So bin ich Partnersalon geworden.“ Heute geht sie offensiv auf Kundinnen und Kunden mit dem Vorschlag zu, Haare zu spenden.

„Aktuell habe ich so vier bis sechs Leute im Jahr. Nicht nur aus Rheinland-Pfalz, sondern auch aus dem Saarland“, erzählt Hamm. Geduldig flechtet sie gemeinsam mit Patschull die Haare von Strobel zu vielen schmalen Zöpfen. Verwendet werden die Haare später unter anderem auch für Echthaarperücken für Kinder mit Haarausfall.

Gelassen verfolgt Jasmina Strobel die Prozedur. Wie ist sie zum Spenden gekommen? „Als ich mich vor drei Jahren von meinem Partner trennte, beschloss ich, mein Leben umzustrukturieren“, erzählt die 24-Jährige. Unter anderem wollte sie mehr auf ihren Lebensstil achten – und sie wollte eine neue Frisur. „Ich hatte damals 40 Zentimeter, und Tina Hamm warnte mich: ,Das wird dann kurz.' Ich sagte: ,Kein Problem.'“ Doch ihre Familie sei geschockt gewesen. „Die dachten, ich mache eine Chemotherapie. Einige haben geweint“, erzählt Strobel. Als sie es erklärte, sei die Erleichterung groß gewesen. Sogar ihre Mutter habe mittlerweile Haare gespendet. Sie selbst „sammelte“ drei Jahre lang, erzählt Jasmina Strobel.

Zu kurz geht gar nicht: Friseurin Tina Hamm nimmt Maß und prüft, ob die Haare von Jasmina Strobel die nötige Länge für eine Spende aufweisen.
Zu kurz geht gar nicht: Friseurin Tina Hamm nimmt Maß und prüft, ob die Haare von Jasmina Strobel die nötige Länge für eine Spende aufweisen.
Foto: dpa

Die Deutsche Krebshilfe ruft immer wieder zu Haarspenden auf – zum Beispiel für Menschen, die wegen einer Chemotherapie eine Perücke brauchen. Die Stiftung arbeitet dazu mit einem Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zusammen, das ein spezielles Internetportal betreibt. Hier hat sich auch Tina Hamm registriert, ebenso wie bundesweit zahlreiche andere Salons. Für jede Perücke sind der Deutschen Krebshilfe zufolge vier bis fünf Haarspenden nötig. In Deutschland gibt es dabei einige Organisationen, denen man spenden kann.

Auch Friseurmeisterin Dorothea Ehlen aus Wittlich hat sich bei dem Portal registriert. „Die Menschen, die zu uns kommen und ihre Haare spenden wollen, sind unterschiedlichen Alters, dazu zählen auch Kinder“, berichtet sie. „Die Kinder kommen immer, weil sie anderen Kindern helfen wollen.“ Nach eigenen Angaben kommen im Jahr bis zu 50 Menschen zum Haarespenden. „Manche lassen ganz bewusst die Haare zwei Jahre lang wachsen, um sie zu spenden“, sagt Dorothea Ehlen.

Ähnliches berichtet Melanie Holz aus Alzey. „In den vergangenen fünf Wochen haben wir bestimmt 30 Zöpfe abgeschnitten“, sagt sie. „Für unsere Mitarbeiter und die Spenderinnen und Spender ist dieser Moment sehr emotional und besonders.“ Kunden kämen sogar aus Hessen. „Der Umkreis ist wirklich riesengroß“, erzählt Holz. Ihre Schwiegermutter kümmere sich seit mehr als 20 Jahren hingebungsvoll um Zweithaarkunden. „Wir haben also schon einen kleinen Bezug zu Perückenkunden.“

In Zweibrücken schneiden Hamm und Patschull sorgfältig Strobels Zöpfe ab. „Die Haare stecken wir vorsichtig in eine Klarsichthülle und schicken sie in einem entsprechend großen Umschlag weg“, erklärt die Friseurmeisterin. Seit gut elf Jahren betreibt sie ihren Laden.

Auch Jasmina Strobel ist zufrieden. „Jetzt habe ich wieder eine Frisur für die nächsten Jahre“, sagt sie und schmunzelt. Jede Länge habe Vor- und Nachteile. „Nun, wo sie kurz sind, muss ich in den nächsten kühlen Monaten wieder an eine Mütze denken“, meint Strobel augenzwinkernd. Vor dem zunächst ungewohnten Anblick im Spiegel fürchte sie sich nicht. „Es sind doch bloß Haare.“

Von Wolfgang Jung