Koblenz. Der Neuzuschnitt des großen Wasserschutzgebiets Koblenz/Urmitz bewegt die Gemüter. Grundstückseigner setzen die verschärften Auflagen der neuen Rechtsverordnung der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord mit einer Quasi-Enteignung gleich, Betriebsinhaber fürchten, dass die Hürden für die tägliche Arbeit und geplante Investitionen künftig so hoch sind, dass ihre Existenz bedroht ist.
Noch ist das Ganze ein Entwurf, das könnte sich jedoch schon im Herbst ändern. Bei einem Informationsabend im Zentrum für Ernährung und Gestaltung der Handwerkskammer (HwK) ging es deshalb vor allem darum, Klarheit zu schaffen. „Da rasen zwei Güterzüge aufeinander zu. Es geht jetzt darum, die Gleise so zu bauen, dass die Züge aneinander vorbeikommen“, betonte Hausherr Alexander Baden.
Und deshalb arbeitet der HwK-Hauptgeschäftsführer in der Sache seit Monaten eng mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz zusammen, die als Mitveranstalter geladen hatte. „Wir sind in Sorge“, ergänzte Arne Rössel. Der IHK-Hauptgeschäftsführer sollte in der von seinem Stellvertreter Bertram Weirich moderierten Runde später noch nachlegen. Er empfiehlt Unternehmen derzeit nicht, im Bereich des Industriegebiets Rheinhafen zu investieren. Der Hintergrund: Es besteht zurzeit keine Planungssicherheit. Wenn der Entwurf der Rechtsverordnung im Großen und Ganzen so durchgeht wie geplant, wird es nach Einschätzung der Wirtschaftskammern so sein, dass es für einige Branchen künftig nicht mehr möglich ist, dort zu arbeiten.
Zwar gilt ein Bestandsschutz für Anlagen, doch könnten nach Einschätzung von Juristen Änderungen im Bestand dazu führen, dass der ganze Betrieb auf dem Prüfstand steht. Da können auch für kleinere Betriebe unter Umständen Mehrkosten in sechsstelliger Höhe zukommen.„Das ist existenzbedrohend“, betonte die Repräsentantin eines Handwerksbetriebs.
Ein Grundstückseigner ergänzte, dass der Wert seines Areals wegen der künftigen Einschränkungen erheblich sinken wird. Er setzte das Ganze mit einer Enteignung gleich, was es aus rechtlicher Sicht nicht ist. Der Abend machte nämlich deutlich, dass Nutzungseinschränkungen entschädigungslos hinzunehmen sind, wenn man die Widerspruchsfrist verstreichen lässt, die am 4. Oktober ausläuft. Deshalb warnte auch HwK-Justiziarin Susanne Terhorst davor, untätig zu bleiben. Die Leiterin der Rechtsberatung und Stephanie Binge, Chefin der HwK-Betriebsberatung, rieten dazu, sich an die Kammern zu wenden. Denn sie können als Träger öffentlicher Belange Anregungen und Bedenken der Betriebe einbringen – und wohl auch eine Verlängerung der Widerspruchsfrist erreichen. Unternehmer können natürlich auch selbst aktiv werden, müssen aber Zeit investieren, ihre Anliegen möglichst präzise zu formulieren. Schon jetzt steht, so Christian Jütte, Experte für Bauleitplanung bei der IHK, eine zentrale Forderung der Kammern ganz oben auf der Liste: Ein erweiterter Bestandschutz, der eben nicht nur einzelne Anlagen, sondern komplette Betriebe gilt.
Joachim Gerke, der zuständige Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz appelliert an Investitionswillige, sich von Anfang an mit seiner Behörde abzustimmen, damit es erst gar nicht zum Konflikt kommt. Es gibt auch Sprechstunden. Existenzbedrohende Situationen sieht er nicht. Und auch Alexander Baden versuchte, den Unternehmern Mut zu machen. Der Hauptgeschäftsführer verwies darauf, dass die Betriebe schon jetzt nach strengen und vor allem aktuellen Umweltstandards arbeiten, sodass sie wenig zu befürchten haben. Das sehen jedoch viele Unternehmen anders.
Gut 25 Betriebe haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die von Rechtsanwalt Marcel Séché vertreten wird. Der Koblenzer Fachanwalt für Verwaltungsrecht präsentierte eine ganze Liste mit Unklarheiten der Rechtsverordnungen und Verbesserungsforderungen. Aus SGD-Sicht steht dagegen, dass man bewusst flexible Formulierungen gewählt hat, um bilaterale Abstimmungen zwischen Behörde und Betrieben zu erreichen.
Betriebe können sich bei der HwK Koblenz via E-Mail melden: recht@hwk-koblenz.de oder bei der IHK Koblenz, Kontakt: juette@koblenz.ihk.de
Von unserem Mitarbeiter Reinhard Kallenbach