„Troika zerschlägt Sozialsysteme“: Parlament will Reform

Protest against Troika
Protest gegen die Sparpläne der internationalen Geldgeber für Portugal. Foto:  Miguel A. Lopes

Brüssel/Athen. Wenn sie kommen, fliegen Steine. Denn die Troika ist verhasst. Nicht nur in Griechenland. Die Kritik an der fehlenden Legitimation, am Auftreten und an Fehlern wächst, und die Gegner sammeln sich. Im Europäischen Parlament gab es eine erste Anhörung.

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Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes

Die rund 50 Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) werden als Gegner abgelehnt, obwohl sie als Helfer in die Krisenländer entsandt worden waren. Doch inzwischen erheben nicht nur Abgeordnete des Europäischen Parlamentes schwere Vorwürfe gegen die Finanzberater, sondern auch internationale Arbeitsmarktkenner. Ihr Vorwurf: Die Troika exekutiert Beschlüsse der EU-Kommission und zerstört die Sozialpartnerschaft in den Ländern, die sie reformieren soll.

„Schon die Grundthese des Gremiums ist höchst zweifelhaft“, führte Thorsten Schulten, Tarifexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bei einer Anhörung des zuständigen Parlamentsausschusses in Brüssel aus. Denn der Expertenkreis habe die Senkung der Arbeitskosten als Allheilmittel durchgesetzt. So habe die Troika den Sozialpartnern vor Ort regelrecht jede Hoheit entzogen und Lohnkürzungen beispielsweise im Öffentlichen Dienst um bis zu 50 Prozent verlangt.

Schulten sprach von auffallenden Parallelen zu einem Grundsatzpapier der EU-Kommission, in dem diese 2013 offen dafür eingetreten war, die Tarifbindung herunterzufahren. „Was die Kommission will, hat die Troika in Griechenland, Irland und auch anderen Krisenländern umgesetzt.“ Tatsächlich bestätigten auch andere Redner wie der Präsident des Wirtschafts- und Sozialrates Portugal, José Silva Peneda, dass es durch die Einwirkung der Troika einen „dramatischen Rückgang der Tarifbindung“ in seinem Land gegeben habe.

Erst vor wenigen Wochen hatte der für Reformen zuständige Lissabonner Minister Paolo Portas die Ankündigung, sein Land werde Mitte 2014 den Rettungsschirm verlassen, mit der Aussage garniert: „Wir wollen unsere Souveränität zurück. Es ist unangenehm, von fremden Mächten mitregiert zu werden.“ Der österreichische Konservative Othmar Karas stützt solche Erfahrungen. „Die Troika ist eine Einrichtung der Regierungen, deshalb fehlt ihr jede demokratische Legitimation durch das Parlament“, sagte er nach einer Reise durch Griechenland, Irland, Portugal und Zypern. Die europäische Volksvertretung müsse die Kriterien für deren Arbeit vorgeben, nicht die Kommission oder die Mitgliedstaaten.

Die wachsende Kritik stützt sich keineswegs nur auf strukturell fragwürdige Auflagen, sondern auch auf handfeste Fehleinschätzungen. So hatten die Experten aus Brüssel, Frankfurt und Washington die griechische Verschuldung bis Ende 2013 auf 164 Prozent der Wirtschaftsleistung geschätzt. Tatsächlich liegt Athen derzeit bei 175 Prozent. Mindestens ebenso dramatisch lag man mit den Prognosen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit daneben: 14,2 Prozent sagten die Troika-Fachleute für Ende 2012 voraus. Am Ende waren es schließlich 26 Prozent.

„Europa hat sich als egoistisch erwiesen“, heißt es verbittert in Lissabon. Man habe Portugal jede Chance auf Wachstum genommen. Noch vor den Europawahlen wollen die Parlamentarier einen Bericht fertigstellen. Ob die Kommission daraus Schlüsse zieht, erscheint jedoch ungewiss. Sie muss das Votum der Abgeordneten nicht aufgreifen.