Peking

China: Superreiche folgen ihrem Kapital ins Ausland

China Geldschein Foto: dpa

Immer mehr Millionäre kehren China den Rücken. Vorher bringen sie ihre Vermögen über dunkle Kanäle ins Ausland. Die Enthüllungen über die versteckten Reichtümer der „roten Elite“ empören das Volk.

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Die Enthüllungen über verborgene Reichtümer der chinesischen Elite in Offshore-Konten in der Karibik oder im Pazifik stoßen einfachen Chinesen übel auf. „Die da oben können alles machen“, schimpft ein 52-jähriger Angestellter in Peking. „Sie werden immer reicher, während wir sehen müssen, wie wir zurechtkommen.“

Dem Geld nachgereist

Nach den Recherchen des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ) machen nicht nur Mitglieder mächtiger Politikerfamilien lukrative Geschäfte über Steueroasen auf den Cook- oder Jungferninseln und Samoa. Auch reiche Chinesen bringen ihre riesigen Vermögen ins Ausland – und ziehen gleich hinterher.

Zwei von drei Reichen wollten China verlassen oder zumindest eine ständige Aufenthaltsgenehmigung in einem anderen Land besitzen, berichtete der „Hurun-Report“ in Shanghai. Ein Drittel habe schon ein solches Standbein im Ausland. Ihre Zahl ist steigend: Waren es 2012 erst 60 Prozent, wollten im vergangenen Jahr schon 64 Prozent mit ihrem Geld auswandern, fand der „Hurun-Report“ heraus. Die USA sind das beliebteste Zufluchtsziel, gefolgt von Europa, wo reiche Chinesen schon als treibende Kraft auf dem Markt von Luxusimmobilien gelten.

In drei Jahren 340 Milliarden Euro verschoben

Die amerikanische Unternehmensberatung Boston Consulting schätzt, dass reiche Chinesen bis 2011 rund 2,8 Billionen Yuan, umgerechnet 340 Milliarden Euro, ins Ausland gebracht haben – rund drei Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung. Die Flucht der Millionäre aus China nannte der Luxusautohersteller Bentley als einen Grund für den Rückgang seiner Verkäufe im vergangenen Jahr im Reich der Mitte.

Die Enthüllungen über den „roten Geldadel“, der sein Vermögen versteckt und undurchsichtige Offshore-Geschäfte abwickelt, kommen für Chinas Führer zu einem ungünstigen Zeitpunkt. „Die Wirtschaft wächst nur noch langsamer, was den Eindruck noch verstärkt, dass es Kapitalflucht gibt“, sagt der amerikanische China-Experte Gordon Chang. „Das schadet dem Vertrauen im Volk.“

Chinesen sind wenig überrascht

Der Sprecher des Außenministeriums in Peking meinte zwar, „die Logik dieser Berichte ist schwer zu glauben“ und unterstellte den Autoren unlautere Motive. Doch wie viele Chinesen ist der kritische Kommentator Zhang Lifan „keineswegs überrascht“. Denn die Debatte über Kapitalflucht oder korrupte Funktionäre, die Schmiergelder ins Ausland verschieben, beschäftigt das Milliardenvolk schon lange.

Obwohl die Behörden die Medienberichte und empörten Kommentare im Internet sperren, konnte eine ironische Bemerkung zumindest kurz die Runde machen, bevor sie zensiert wurde. So erinnerte ein Nutzer an den Spruch des Reformarchitekten Deng Xiaoping: „Den Fluss überqueren, indem tastend die Steine gesucht werden.“ Niemand komme heute noch über den Fluss, fand der Blogger, weil die Reichen und Mächtigen längst „offshore“ seien – weit weg vom einfachen Volk.

Mit einem Bein außerhalb

Zwar ist es nicht illegal, eine Offshore-Firma zu gründen. „Die Existenz dieser Konten deutet aber darauf hin, dass die politische und wirtschaftliche Elite solche Steueroasen für steuerliche Zwecke oder dafür benutzt, ihre geschäftlichen und finanziellen Aktivitäten vor dem prüfenden Auge der Öffentlichkeit zu verbergen“, sagt der Professor Dali Yang von der Universität von Chicago.

„Mit den Hinweisen auf eine wachsende Zahl von Mitgliedern der Elite, die ausländische Pässe besitzen, scheint es, als wenn die Oberschicht die Steueroasen auch nutzt, um sich gegen die Unsicherheiten zu wappnen, die aus ihrer Sicht in China existieren“, sagt Yang mit Blick auf die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. „Sie wollen zumindest mit einem Bein außerhalb Chinas stehen.“

Andreas Landwehr (dpa)