Moskau

Deutsche begeistert über Mars-Projekt in Moskau

Deutsche begeistert über Mars-Projekt in Moskau
520 Tage dauert etwa ein Ausflug zum Mars und zurück. Und so lange - knapp eineinhalb Jahre - lassen sich sechs Männer in Moskau in einen Container sperren und rund um die Uhr von modernster Technik überwachen. Foto: dpa

Seit etwa zwei Monaten leben sechs Männer eingeschlossen in einem Container in Moskau – alles im Dienste der Wissenschaft. Sie simulieren einen Flug zum Mars. Etliche Tests stehen auf dem Plan. Deutsche Forscher sind von den ersten Ergebnissen begeistert.

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Moskau – Seit etwa zwei Monaten leben sechs Männer eingeschlossen in einem Container in Moskau – alles im Dienste der Wissenschaft. Sie simulieren einen Flug zum Mars. Etliche Tests stehen auf dem Plan. Deutsche Forscher sind von den ersten Ergebnissen begeistert.

Manchmal hat totale Isolation auch Vorteile. Während Moskau unter einer historischen Hitzewelle und giftigem Qualm von den Torfbränden rundum leidet, leben sechs junge Männer in einem abgeschlossenen Container in der Hauptstadt bei konstanten 22 Grad.

Deutsche begeistert über Mars-Projekt in Moskau
Die sechs Crewmitglieder der Mission „Mars500“ und ein russisches Ersatzmitglied (undatiertes Handout) – hintere Reihe v. l.n. r.: der Russe Sukhrob Kamolov, der Franzose Romain Charles, Diego Urbina (italienischer und kolumbianischer Staatsbürger) und Wang Yue aus China; vordere Reihe v. l.n. r.: die Russen Alexey Sitev, Alexandr Smoleevskiy und Mikhail Sinelnikov (Ersatzmitglied).
Foto: dpa

Die drei Russen sowie ein Chinese, Italiener und Franzose simulieren seit mehr als zwei Monaten einen Flug zum Mars und zurück. Insgesamt sollen sie 520 Tage – rund 15 Monate – unterwegs sein. So lange würden Raumfahrer für solch eine Reise vermutlich benötigen.

Langeweile ist nach mehr als 60 Tagen Einsamkeit noch nicht eingekehrt im Lager der „Marsianer“. „Keiner von denen will schon raus“, berichtet Peter Gräf, Projektleiter beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR). Alle sechs seien mit Begeisterung dabei. Mittlerweile haben sich zwar erste Routinen entwickelt. Doch der italienische Teilnehmer Diego Urbina etwa träumt noch immer von Menschen außerhalb der Kapsel, wie er bei Twitter schreibt.

Das „Raumschiff“ erinnert an „Big Brother“. Überall hängen Kameras, dokumentieren rund um die Uhr, ob die Probanden die insgesamt 100 Forschungsprojekte auch wirklich durchziehen. Elf Experimente entstammen deutschen Ideenschmieden. Von den ersten Resultaten sind die Forscher begeistert. „Das ist gigantisch, wie die Jungs mitmachen“, schwärmt Jens Titze von der Universität Erlangen-Nürnberg im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Der Mediziner hat mit seinem Team den Nahrungsplan ausgetüftelt, jede Mahlzeit steht schon lange im Voraus fest. Alle würden das essen, was auf dem Menu steht, und auch immer vorbildlich an die regelmäßigen Urinproben denken, berichtet der Wissenschaftler. Er will überprüfen, welche Auswirkungen der Anteil von Kochsalz im Essen auf den Bluthochdruck hat. Modernste Technik macht aus den sechs Teilnehmern gläserne Patienten.

„Mars500 ist das schwierigste Experiment in der Geschichte der Raumfahrt“, sagt Oliver Twickel über das Projekt. Der Bundeswehr- Hauptmann spricht aus Erfahrung. Vor gut einem Jahr verbrachte er selbst 105 Tage unter Beobachtung im Moskauer „All“. Niemand weiß, ob und – wenn ja – wann die Probanden in ein Loch fallen. Noch stehen den „Marsianern“ mehr als 450 Tage bevor.

„Die Erfahrung steigt, gleichzeitig sinkt aber die Motivation, da man alle Arbeiten schon vielfach gemacht hat“, erinnert sich Twickel an seine eigene Zeit in der Kapsel. Derzeit halten psychologische Tests und körperliche Experimente die Besatzung auf Trab.

„Nach dem Aufstehen haben alle vier oder fünf Aufgaben zu erfüllen, bevor es Frühstück gibt“, berichtet der Franzose Romain Charles in einem Tagebucheintrag auf der Seite der Europäischen Weltraumbehörde ESA. Die Freizeit ist gering – und bietet dennoch Chancen. So unterrichtet Wang Yue seinen Kompagnon Charles in der komplizierten chinesischen Kalligraphie.

Vor kurzem hatte der Franzose Geburtstag, die sechs Männer feierten mit aufgetautem Kuchen und Pulverwein. Eigens lud die „Bodenstation“ im Moskauer Institut für biomedizinische Probleme eine in Moskau lebende Freundin von Charles ein, die ihm am Telefon in seiner Muttersprache gratulierte. „So etwas ist jetzt nicht mehr möglich“, sagt DLR-Mann Gräf.

Denn die Kapsel hat – zumindest in der Simulation – die Zone verlassen, in der Sprachkontakt möglich ist. Immer länger dauert es nun, bis eine Nachricht bei den Betreuern ankommt – schließlich benötigt ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit 20 Minuten vom Mars, der etwa 200 Mal weiter entfernt ist von der Erde als der Mond.

Von Benedikt von Imhoff

-Mars-Projekt bei Twitter (http://twitter.com/Mars_500)

- Diego Urbina bei Twitter (http://twitter.com/diegou)

- Mars500-Seite der ESA (http://dpaq.de/HuEEY)

- Mars500 (www.google.com/mars500)

- DLR (www.dlr.de)