Berlin

„Wunder von Berlin“: Mann von Krebs und HIV geheilt

Der Name des Mannes ist geheim, auch Fotos von ihm sind tabu – aus Angst vor der Boulevardpresse, die vor eineinhalb Jahren eine regelrechte Jagd auf ihn gemacht hatte. Was man weiß: Er ist Amerikaner, 44 Jahre, lebt seit 1992 in Berlin. Und er ist vermutlich der erste und einzige Mensch der Welt, der vom Aidsvirus geheilt wurde.

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Berlin. Der Name des Mannes ist geheim, auch Fotos von ihm sind tabu – aus Angst vor der Boulevardpresse, die vor eineinhalb Jahren eine regelrechte Jagd auf ihn gemacht hatte. Was man weiß: Er ist Amerikaner, 44 Jahre, lebt seit 1992 in Berlin. Und er ist vermutlich der erste und einzige Mensch der Welt, der vom Aidsvirus geheilt wurde.

Kürzlich war er zur Nachuntersuchung im Benjamin-Franklin-Klinikum der Charité – dort, wo die Wunderheilung vor 18 Monaten gelang. Ein Journalist der „Zeit„ hat ihn getroffen, ihm den Aliasnamen Neil gegeben. Eigentlich ist Neil längst wieder gesund. Aber das ist so unglaublich, dass die Ärzte es selbst kaum fassen können und sich deshalb immer wieder von ihrem Erfolg überzeugen wollen.

Tod nur knapp entronnen

Als Neil sich 2005 in die Behandlung von Professor Eckhard Thiel, einem Spezialisten für Hämatologie und Onkologie, begab, war er HIV-positiv und außerdem an Leukämie erkrankt. Heute sieht es so aus, dass gerade diese tragische Korrelation von HIV-Infektion und Blutkrebserkrankung der Grund dafür ist, dass Neil inzwischen wieder mehr oder weniger gesund ist.

Zunächst wurde Neil behandelt wie Tausende andere Krebskranke auch – mit einer Chemotherapie. Beim dritten Zyklus treten Komplikationen auf: Neils geschwächte Immunabwehr packt es nicht, einen Infekt abzuwehren. Er erleidet eine Blutvergiftung, schwebt für kurze Zeit in Lebensgefahr. Aber Neil schafft es. Und nicht nur das – auch der Krebs zieht sich zurück.

Die Ärzte aber wissen, dass das Glück trügerisch ist. Dass der Blutkrebs oft nach Monaten wieder zurückkehrt. Deshalb sehen sie in einer Knochenmarktransplantation die einzige Chance, Neil dauerhaft zu heilen. Aber die Berliner Mediziner wissen auch um die Gefahren für Neil: Richtet sich das fremde Immunsystem mit voller Macht gegen den Körper des Empfängers, kann es ihn binnen Stunden töten. Wieder hat Neil Glück: In den weltweiten Datenbanken findet das Team von Professor Thiel 232 Menschen, die als Spender infrage kommen.

Die Ärzte haben inzwischen einen tollkühnen Plan gefasst: Sie wollen die Leukämie besiegen und gleichzeitig das HI-Virus aus Neils Körper vertreiben. Dazu brauchen sie einen Spender mit einer Genmutation, die bei gerade mal drei Prozent der europäischen Bevölkerung vorkommt. Jahre zuvor hatten Forscher festgestellt, dass Menschen, die diese Mutation von beiden Eltern vererbt bekommen haben, zuverlässig gegen eine HIV-Übertragung geschützt sind. Bei Spender Nummer 61 schlägt der Test an – die Ärzte haben entdeckt, was sie suchten.

Das „Wunder von Berlin“

Die Transplantation verläuft schließlich ohne Probleme. Die Ärzte setzen Neils Aids-Medikamente ab, weil sie befürchten, das sie zu einer Abstoßung des gespendeten Knochenmarks führen könnten. Bis heute hat er keine Tabletten mehr genommen. Er gilt als geheilt. Das „Wunder von Berlin" – bislang ist es ein sensationeller Einzelfall. Doch es hält wichtige Lehren für die weitere Aids-Forschung bereit.