Bagdad/Washington

USA hinterlassen einen Irak in Aufruhr

USA hinterlassen einen Irak in Aufruhr
eit zum Gehen: Der Abzug der Amerikaner aus dem Irak hinterlässt in dem Zweistromland gemischte Gefühle. Die Regierung freut sich, doch andere Iraker wie die Kurden hätten sie gern länger als Schutzmacht im Land gehabt. Foto: dpa

Der Besuch des Vizepräsidenten Joe Biden Anfang Dezember sollte dem schmachvollen Abzug der letzten US-Truppen aus dem Irak einen halbwegs würdigen Anstrich verleihen. Doch dieser Plan misslang gründlich. Regierungssprecher Ali el Dabbagh feuerte eine verbale Breitseite auf die einstigen Verbündeten ab.

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Bagdad/Washington – Der Besuch des Vizepräsidenten Joe Biden Anfang Dezember sollte dem schmachvollen Abzug der letzten US-Truppen aus dem Irak einen halbwegs würdigen Anstrich verleihen. Doch dieser Plan misslang gründlich. Regierungssprecher Ali el Dabbagh feuerte noch während Bidens Aufenthalt eine verbale Breitseite auf die einstigen Verbündeten ab.

Aus seinen Worten triefte der tief empfundene Hass, den die meisten Iraker in den vergangenen Jahren für die fremden Soldaten empfunden haben. „Die Anwesenheit der Amerikaner im Irak hat dem Land großen Schaden zugefügt“, sagte er. Die US-Soldaten hätten sich den Irakern gegenüber arrogant verhalten. Der Anblick ihrer Panzer sei für jeden Iraker schmerzhaft gewesen – ein notwendiges Übel, das man wegen der schwierigen Lage leider habe in Kauf nehmen müssen. Ähnlich sieht es auch der Bauunternehmer Maruf Mohanned (55) aus Bagdad, der den US-Truppen in den vergangenen Jahren Zement und andere Materialen für ihre Stützpunkte und Schutzwälle geliefert hatte. „Ich habe viele gute Geschäfte mit den Amerikanern gemacht“, sagt er, „aber tief in mir drin trage ich einen großen Hass.“

Anders sehen es die Angehörigen der kurdischen Minderheit. Sie wissen, dass sie ihre Teilautonomie in den drei Nordprovinzen Erbil, Dohuk und Suleimanija zu verdanken haben. Wohl auch deshalb warteten der Präsident des Autonomiegebietes, Massud Barsani, und der kurdische Regierungschef Barham Salih am Flughafen von Erbil neulich geduldig in der Kälte auf Bidens Ankunft. „Ohne die Amerikaner können wir nicht richtig atmen“, klagt der in Erbil lebende kurdische Rentner Kadir Hama (63). „Sie haben uns Sicherheit und Wohlstand gebracht, was wir in Jahren des bewaffneten Kampfes nicht erreicht hatten.“

Der Rentner Hama hat wie viele irakische Kurden Angst vor dem Einfluss der Iraner. Er hätte es deshalb lieber gesehen, wenn der Einsatz der US-Truppen verlängert worden wäre. Doch dafür war im Parlament in Bagdad, wo die religiösen Parteien der Schiiten das Sagen haben, keine Mehrheit zu finden. Letztlich scheiterte sogar der Plan, einige Tausend US-Soldaten als Ausbilder im Land zu lassen, an der Weigerung der Schiitenparteien, die garantieren sollten, dass diese Soldaten auch weiterhin nur von US-Militärgerichten für mögliche Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Amerikaner verlassen den Irak mit einem unguten Gefühl. Denn nicht nur El Dabbagh zieht zum Abschluss eine bittere Bilanz. Auch die Fakten lassen es nicht zu, die im März 2003 begonnene US-Militäroperation als Erfolg zu verkaufen. Sie wurde einst mit einem Lügenszenario gerechtfertigt – die angeblich noch verbliebenen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein wurden nie gefunden. Sie kostete mehr als 4400 US-Soldaten und Zehntausende von Irakern das Leben. Sie verschaffte dem iranischen Regime politischen Einfluss in Bagdad. Und sie machte den Irak zu einem Tummelplatz für Terroristen, die sich auf die menschenverachtende Ideologie des islamistischen Terrornetzwerks El Kaida berufen. Zwar ist die Zahl der Terroranschläge und Attentate in den vergangenen vier Jahren etwas zurückgegangen. Doch die Sicherheitsbehörden zählen immer noch 30 Terrorakte pro Woche.

Es sieht aber nicht so aus, als würde die Gewalt nach dem Abzug des letzten US-Soldaten abnehmen. Zwar fällt es den irakischen Terroristen nun schwerer, neue Selbstmordattentäter im Ausland zu rekrutieren. Denn viele Möchtegernattentäter sprengen sich lieber neben einer US-Patrouille in die Luft als neben Marktbesuchern oder Pilgern. Doch der Konflikt zwischen den verschiedenen Ethnien und Religionsgruppen des Iraks hat sich inzwischen verselbstständigt.

Die kleine Minderheit der Christen trifft es besonders hart. Da sie zu den bevorzugten Anschlagzielen der Terrorgruppen gehören, ist die Hälfte von ihnen nach 2003 ins Exil geflüchtet. „Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Heimatstadt Kirkuk eines Tages verlassen würde, aber wegen der Konflikte zwischen den Parteien werde ich mir jetzt eine Wohnung in Erbil suchen und dann von dort aus versuchen, ein Visum für ein anderes Land zu bekommen, wo ich in Frieden leben kann“, erklärt der christliche Geschäftsmann Jussif Noah (45). Viele seiner Glaubensbrüder waren in den vergangenen Jahren nach Syrien geflohen. Doch da stehen die Zeichen jetzt auf Bürgerkrieg.

Zur irakischen Zukunft äußerte sich US-Präsident Barack Obama bei einem Treffen mit Regierungschef Nuri el Maliki am 12. Dezember in Washington betont diplomatisch. Obama wies darauf hin, dass es noch eine Reihe von Herausforderungen für den Irak gebe. „Aber ich habe keinen Zweifel, dass der Irak erfolgreich sein wird“, betonte Obama.