Rheinland-Pfalz

Neue Regeln im Rettungsdienst: Beim Schlaganfall kommt es auf Minuten an

Der Rettungswagen bringt beim Schlaganfall in der Regel die schnelle und richtige Hilfe. Ein Notarzt, wie hier der des Koblenzer Rettungshubschraubers Christoph 23, muss dann nicht grundsätzlich angefordert werden.
Der Rettungswagen bringt beim Schlaganfall in der Regel die schnelle und richtige Hilfe. Ein Notarzt, wie hier der des Koblenzer Rettungshubschraubers Christoph 23, muss dann nicht grundsätzlich angefordert werden. Foto: Jens Weber

Die Rückkehr der Komikerin Gaby Köster in Talkshows, aber auch neue Regeln für die Rettungsleitstelle erinnern blitzartig an eine Krankheit, die jährlich das Leben von 250 000 Menschen plötzlich verändert und teils schwer einschränkt: der Schlaganfall. Die Nachricht, dass in Rheinland-Pfalz nicht bei jedem Verdacht auf Schlaganfall sofort ein Notarzt ausrückt, hat Leser verunsichert. Wir beleuchten das Problem in Gesprächen mit dem Mainzer Innenministerium und dem Sprecher der Ärzte, die im Rettungsdienst tätig sind, dem Mainzer Notarzt Guido Scherer.

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Rheinland-Pfalz. Die Rückkehr der Komikerin Gaby Köster in Talkshows, aber auch neue Regeln für die Rettungsleitstelle erinnern blitzartig an eine Krankheit, die jährlich das Leben von 250 000 Menschen plötzlich verändert und teils schwer einschränkt: der Schlaganfall.

Die Nachricht, dass in Rheinland-Pfalz nicht bei jedem Verdacht auf Schlaganfall sofort ein Notarzt ausrückt, hat Leser verunsichert. Wir beleuchten das Problem in Gesprächen mit dem Mainzer Innenministerium und dem Sprecher der Ärzte, die im Rettungsdienst tätig sind, dem Mainzer Notarzt Guido Scherer.

Wer hilft im Notfall?

Die Rettungsleitstellen sind über den Notruf 112 erreichbar. Hier stehen neben Feuerwehr auch Rettungsassistenten bereit. Die Disponenten klären mit gezielten Fragen die Lage und mobilisieren Hilfe per Auto oder Hubschrauber. Und alle Experten warnen: Jeder Schlaganfall ist ein Notfall.

Wer ist im Notfall schnell bei einem Schlaganfallpatienten?

Da es landesweit 170 Rettungswagen, aber nur 69 Notarztwagen gibt, sind die Rettungsassistenten in der Regel viel schneller beim Patienten als ein Arzt. Damit die Mediziner möglichst dort eingesetzt werden, wo dringend ein Arzt gebraucht wird, klärt die Leitstelle bei einem Verdacht auf Schlaganfall mit gezielten Fragen die Symptome ab. „In 90 Prozent ist ein Schlaganfall nicht lebensbedrohlich“, sagt Notarzt Scherer. Aber: In einer Minute können zwei Millionen Hirnzellen absterben. Um möglichst dauerhafte Lähmungen und Behinderungen zu verhindern, ist es wichtig, dass der Betroffene so schnell wie nur möglich in eine Klinik kommt, die über einen Computertomografen verfügt. Den hat auch kein Notarzt im Wagen. Ist also der Patient bei Bewusstsein, atmet normal und ist sein Kreislauf stabil, gibt es die Priorität: Rettungsassistenten bringen den Patienten mit Blaulicht sofort in eine Spezialeinheit (eine sogenannte Stroke Unit). Landesweit gibt es in 30 Krankenhäusern insgesamt 160 Betten. Über die Leitstelle wissen sie, wo ein Platz frei ist (siehe Übersicht auf dieser Seite). Für die Betreuung während der Fahrt sind die Assistenten geschult, wie der Notarzt sagt. In lebensbedrohlichen Situationen alarmiert die Leitstelle auch weiterhin sofort einen Notarzt. Auch Oberstarzt Thomas Dietze im Bundeswehrzentralkrankenhaus betont: Die neuen Leitlinien geben den Disponenten und Rettungsassistenten mehr Klarheit, wann sie einen Arzt alarmieren müssen oder nicht. „Das schafft auch für den Patienten nicht weniger, sondern eher mehr Sicherheit.

Kommt auch bei anderen Notfällen nicht sofort ein Arzt?

Ja, aber dies ist immer eine Einzelfallentscheidung, wie Notarzt Scherer mit 23 Jahren Berufserfahrung sagt als einer, der die Ausbildung der Rettungsassistenten kennt. Der neue Indikationskatalog „listet wenige Vorkommnisse auf, bei denen kein sofortiger Notarzteinsatz erforderlich ist, vorausgesetzt, dass keine Lebensbedrohung besteht. Hierzu gehören neben dem Schlaganfall der Zustand nach einem einmaligen Krampfanfall oder eine Unterzuckerung“, so das Ministerium. Wie Scherer sagt, sind die Rettungsassistenten für die Erstversorgung mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet.

Sollen mit den neuen Richtlinien Notärzte eingespart werden?

Nein, versichern Ministerium wie Notarzt Scherer. Im Mittelpunkt steht die Absicht, Mediziner möglichst effektiv und sinnvoll einzusetzen und keinen abzuschaffen. Landesweit sind nach diesen Auskünften im Jahr etwa 1000 Ärzte immer mal wieder im Notarzt-Einsatz. Die Qualifikation sollen demnach 3500 Mediziner haben. Trotzdem stehen sie angesichts des Ärztemangels vor allem in ländlichen Regionen nicht gerade Schlange. Die Bezahlung ist auch nicht besonders attraktiv. Es ist von 20 bis 25 Euro pro Stunde die Rede. In Hessen sollen dagegen 35 Euro gezahlt werden. Aber den Krankenkassen hätten in Rheinland-Pfalz keine höheren Beträge abgetrotzt werden können.

Wer organisiert den Rettungsdienst?

Der Rettungsdienst ist eine öffentliche Aufgabe. Träger sind das Land, die Kreise und die kreisfreien Städte. Zurzeit ist Rheinland-Pfalz in acht Leitstellenbereiche aufgeteilt. Krankenhäuser werden verpflichtet, Ärzte gegen Kostenerstattung zur Verfügung zu stellen. Es können auch Vereinbarungen direkt mit einem Arzt getroffen werden. Bei Problemen schaltet sich das Innenministerium ein, will aber Entscheidungen am Grünen Tisch möglichst vermeiden. Landesweit werden die Kosten für den Rettungsdienst (ohne Arzthonorare) mit 120 Millionen Euro beziffert, die zumeist von den Kostenträgern wie Krankenkassen übernommen werden.

Wie groß sind die Probleme in ländlichen Regionen?

Das Mainzer Innenministerium beobachtet mit Sorge, dass auf dem Land immer mehr Krankenhäuser Probleme damit haben, Notärzte zu stellen. Diese Entwicklung taucht momentan vor allem im Raum Altenkirchen, Kirchen, Hachenburg und Wissen immer wieder auf. In diesen Fällen sollen die örtlich zuständigen Behörden darauf drängen, Verpflichtungen einzuhalten – nach dem Motto: „Der Notarzt muss der verlängerte Arm des Krankenhauses bleiben.“

Wie schnell muss ein Rettungswagen vor Ort sein?

Das Gesetz nennt eine Frist von maximal 15 Minuten. Für den Notarzt gilt die Vorgabe „schnellstmöglich“, weil die Behörden von Krankenhäusern abhängig sind.

Von unserer Redakteurin Ursula Samary