Kommentar: Eine Chance zur Selbstverwirklichung

Von Christian D . Thomas

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Dass eine kleine Stadt wie Pécs neben urbanen Giganten wie Istanbul und Essen zur europäischen Kulturhauptstadt 2010 bestimmt wurde, ist eine Riesenchance: Pécs könnte seine eigene bunte und vielseitige Geschichte neu entdecken – und als Zukunftschance sehen.

Doch noch sorgt die Mischung aus öffentlicher Selbstdarstellung und hausgemachten Versäumnissen für eine erlebbare Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Pécs scheint in den Wettbewerb mit zwei Giganten eingetreten zu sein, will auf Augenhöhe mitspielen – doch ihm fehlt die Potenz dazu.

Zwar konnte die Stadt mit Placido Domingo ein international anerkanntes Maskottchen gewinnen – doch der Anspruch des „Grenzenlosen“, des „Multikulturellen“, ist ein nur schwer einzulösendes Versprechen. Selbst in der Hauptstadt Budapest – die ja als kultureller „Global Player“ gelten darf – ist es mit ethnischer Vielfalt und multikultureller Toleranz nicht weit her. Ungarn ist magyarisch durch und durch, was an der Geschichte des Landes liegt: Das Nationalgefühl kam verspätet, dafür aber heftig – und wirkt bis heute nach. Das zeigt sich an der stetig stärker werdenden rechtsextremen Partei Jobbik, die jetzt erstmals auch im Parlament vertreten ist.

Was man in Pécs besichtigen kann, ist ein lebendiges Museum europäischer Völkergeschichte mit dem Charme der Provinz. Es besitzt damit genug Qualitäten, um auf die hochtrabenden Behauptungen des „Grenzenlos-Multikulturellen“ verzichten zu können. Die Stadt sollte jetzt ihre wegweisenden Bauprojekte in aller Ruhe zu Ende führen, nichts wegen einer einjährigen Festivalhysterie überhasten. Nur dann sind die investierten Gelder nachhaltig im Sinne einer gelungenen Stadtentwicklung und -revitalisierung eingesetzt.