Rheinland-Pfalz

Isst der Deutsche viel zu billig?

Extrem preisbewusst auch beim Einkauf von Lebensmitteln: Deutsche geben im Schnitt 15 Prozent weniger für Nahrungsmittel aus als Franzosen und Italiener.
Extrem preisbewusst auch beim Einkauf von Lebensmitteln: Deutsche geben im Schnitt 15 Prozent weniger für Nahrungsmittel aus als Franzosen und Italiener. Foto: afp

Ein Kilo Hähnchenfilet für 6 Euro, der Liter Milch für 49 Cent, das Rindersteak gibt es schon für 12,99 Euro das Kilo. Verbrauchern ist das Essen in Deutschland oft nur wenig wert. Das beklagt der Bauernverband zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin.

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Rheinland-Pfalz – Ein Kilo Hähnchenfilet für 6 Euro, der Liter Milch für 49 Cent, das Rindersteak gibt es schon für 12,99 Euro das Kilo. Verbrauchern ist das Essen in Deutschland oft nur wenig wert. Das beklagt der Bauernverband zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin.

Für den Ökobeauftragten des Bauernverbandes, Heinrich Graf von Bassewitz, ist diese „extreme Preisbewusstheit“ sogar eine der Ursachen für die Massentierhaltung. „Die Verbraucher, die sich heute über die sogenannte Massentierhaltung beschweren, haben mit ihrem Kauf von Billiglebensmitteln und ihrem extremen Preisbewusstheit letztlich genau diese Art der Landwirtschaft vorangetrieben“, kritisiert er – und ist mit dieser Meinung nicht allein:

Kein guter Zustand

„Wir sind bei Lebensmitteln das Super-super-Billigland – und das ist kein guter Zustand“, sagt auch Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau. Am Beispiel Brot: Während in den vergangenen 50 Jahren der Nettoverdienst eines Industriearbeiters um das 20-Fache gestiegen ist, stieg der Brotpreis – laut Verband – nur um rund das Neunfache.

Die Schnäppchenjagd auf Fleisch und Gemüse treibt längst auch den Konkurrenzkampf im Handel an. „Der Preiswettbewerb der Märkte in Deutschland ist ruinös“, sagt Blum. Die niedrigen Preise gingen zulasten der Schweineproduzenten und der Milchproduzenten. „Der Einzelhandel übt starken Druck auf Schlachthöfe und Molkereien aus.“

Eine Beobachtung, die auch Norbert Schindler vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd teilt. „Ich stelle mit großer Verbitterung fest, dass wir das Kampfforum der großen Ketten in Europa sind“, sagt Schindler. „Hier werden Preise gedrückt bis zum Ende.“

Verbraucher könnten Verhalten ändern

Dabei könnte zumindest der Verbraucher etwas an seinem Verhalten ändern. In Frankreich und Italien, so hat der Bauernverband festgestellt, geben die Bewohner rund 15 Prozent mehr für Lebensmittel aus. „Zudem kaufen sie häufig auch noch bei lokalen Erzeugern ein“, weiß Schindler. Nur rund 11 Prozent ihres Einkommens geben Deutsche für Lebensmittel aus. „17 Prozent wären eigentlich auch vertretbar“, wünscht sich Blum.

Dass der Aufwand für die tiergerechte oder ökologische Herstellung von Lebensmitteln groß ist, ist kein Geheimnis. Dies schlägt sich im Preis nieder. Bei Biosupermarkt-Ketten gilt ein Kilo Putenoberkeule für 9,90 Euro als Sonderangebot. Für Keulen aus der konventionellen Produktion werden in klassischen Supermärkten keine 6 Euro verlangt.

Einkaufsverhalten kaum geändert

Doch selbst nach Dioxin-, Ehec- und Antibiotikaskandalen haben Verbraucher offenbar kaum etwas an ihrem Einkaufsverhalten geändert. „Bei Meinungsumfragen zeigen sich Verbraucher bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben“, beobachtet Schindler, „aber wenn sie vor dem Tresen stehen, sieht die Sache wieder anders aus.“

Geht es nach der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken (Grüne) soll die artgerechte Tierhaltung stärker gefördert werden. Sie setzt zudem auf mehr Transparenz bei der Herkunft der Lebensmittel.

„Bei den Eiern können die Verbraucher mittlerweile nachvollziehen, aus welcher Haltung sie stammen. Das muss aber für alle Eierprodukte gelten, etwa Kekse oder Nudeln“, fordert sie. „Dann greifen die Verbraucher auch zu den tiergerecht erzeugten Produkten.“

Steigende Preise sind zu erwarten

Immerhin: Für Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sind langfristig steigende Lebensmittelpreise zu erwarten. „Es gibt Anzeichen von der Wirtschaft, dass die Preise steigen.“ Gründe dafür sollen unter anderem die wachsende Weltbevölkerung und die sich verändernden Lebensgewohnheiten der Menschen sein.

Auch Blum beobachtet das: „Wir erkennen eine verstärkte Nachfrage aus den Schwellenländern“, sagt Blum. „Eine leichte Preisverbesserung ist in den kommenden Jahren sicher realistisch.“

Die großen Preissprünge wird es allerdings wohl nicht geben. Das will der Bauernverband auch nicht. Bei starken Preisanstiegen droht eine Kaufzurückhaltung der Verbraucher. „Dann brechen die Preise wieder zusammen“, fürchtet Blum.

wiw/dit/dpa