Gynäkologe: „Behandlung gehört in den Leistungskatalog der Kassen“

Der Mainzer Gynäkologe und Reproduktionsmediziner Robert Emig ist davon überzeugt, dass Paaren, die ungewollt kinderlos bleiben, finanzielle Unterstützung brauchen. Er ist Mitglied der Initiative Kinderwunsch, die am 8. Mai in den rheinland-pfälzischen Kinderwunschzentren zum Aktionstag einlädt. Das Interview mit Robert Emig:

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Warum ist die Zahl der künstlichen Befruchtungen ihrer Ansicht nach zurückgegangen?

2002 sind noch etwa 70000 Behandlungen durchgeführt worden. Seit die Änderungen im Gesetz kamen, gibt es deutschlandweit nur noch 40000 Behandlungen.Wir schreiben diese deutliche Abnahme hauptsächlich der Änderung bei der Kostenübernahme zu. Die Kassen übernehmen seit 2004 nur noch 50 Prozent, die andere Hälfte zahlen die Paare selbst. Allein in Rheinland-Pfalz schätzen wir die Zahl der Paare, deren Kinderwunsch sich nicht auf natürlichem Weg erfüllt, auf 25 000. Die Leute scheuen aber den Schritt zur Behandlung wegen des finanziellen Aufwandes.

Stehen deshalb nun ihre Praxen leer?

Nein, das ist auch nicht der Diskussionspunkt. Es geht darum, dass die Tragweite des Problems nicht erkannt worden ist. Wenn wir alle Paare behandeln könnten, könnten wir dazu beitragen, dass wesentlich mehr Kinder geboren werden.

Wer sind denn Ihre Kunden?

Wir müssen weg davon zu denken, dass nur frustrierte alte Frauen, die zu spät entdecken, dass sie ein Kind möchten, diese Medizin nutzen. Es sind in 90 Prozent der Fälle Paare, die tatsächlich ein organisches Leiden haben. Das betrifft alle Gesellschaftsschichten und alle Altersgruppen. Unsere jüngsten Patienten sind Anfang 20, die ältesten Anfang 40. Fast allen ist gemeinsam, dass es sich um ein organisches Problem handelt. Aus unserer Sicht ist es deshalb eine Krankheit und die Behandlung gehört auch in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Sie wollen in dieser Woche im rheinland-pfälzischen Landtag für eine Bezuschussung aus Landesmitteln werben. Um wie viel Geld geht es dabei?

Wir sprechen über ein Volumen von etwa einer Million Euro, die das Land Rheinland-Pfalz in die Hand nehmen müsste, um den Paaren zu helfen. Die Hälfte der Kosten übernähmen die Krankenkassen, die andere Hälfte das Land.

Aber warum sollte die Allgemeinheit dafür aufkommen, dass sich Einzelne schlicht zu spät für ein Kind entscheiden?

Die obere Altersgrenze von 40 Jahren sollte nur in Ausnahmefällen aufgeweicht werden. Eine gewisse Mitverantwortlichkeit seitens der Paare muss man auf jeden Fall in den Raum stellen. Nur: Wir finden bei 90 Prozent der Leute wirklich ein organisches Leiden. Es ist in keinem Fall also ausschließlich der Altersfaktor und deshalb sind wir der Meinung, dass es auch von der Allgemeinheit finanziert werden muss. Der Einzelne kann nichts dafür, dass etwa der Eileiter verschlossen oder die Spermien schlecht sind.

Hat die Zahl der ungewollt kinderlosen Paare zugenommen?

Grundsätzlich gab es schon immer Menschen, die Probleme hatten, Frauen wie Männer. Heute kommt hinzu, dass sich viele Frauen zu spät für Kinder entscheiden. Vielen ist nicht bewusst, dass die Fruchtbarkeit mit 30 und dann noch stärker mit 35 nachlässt. Die Frauen sind heute etwa 31 bei der Geburt des ersten Kindes. Mitte der 70er-Jahre haben sie im Schnitt mit 25 Jahren ihr erstes Kind bekommen.

Das Gespräch führte Rena Lehmann