Rheinland-Pfalz

Viele Paare bangen bis zum Wunschkind

Viele Paare bangen bis zum Wunschkind
Eine Mutter streichelt die zarten Füße ihres Babys. Immer mehr Paare müssen solche Momente lange entbehren. Foto: dpa

Experten gehen davon aus, dass sich allein in Rheinland-Pfalz 25 000 Paare ein Kind wünschen, aber keines bekommen können. Der medizinische Weg zum Wunschkind ist oft ein Behandlungsmarathon. Nicht jeder will ihn gehen oder kann ihn sich überhaupt leisten. Susanne und Stefan U. haben die Strapazen auf sich genommen.

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Die erste Diagnose wird durch einen Zufall gestellt. Beim Bauchraum-Ultraschall wegen einer Entzündung fallen den Ärzten die vielen Zysten an Susanne U.s Eierstöcken auf, die dem Kinderwunsch, den die heute 37-Jährige seit gut einem Jahr hegt, offenbar entgegenstehen. Das Problem mit den Zysten bekommt der Frauenarzt mit einem Medikament in den Griff, zudem speckt Susanne U. gut 16 Kilo ab. Beste Vo-raussetzungen also, um schwanger zu werden.

Zwei Jahre Behandlung

Bei Susanne U. und ihrem Mann Stefan klappt es trotzdem nicht. Der Frauenarzt schickt das Ehepaar, das idyllisch in einer Doppelhaushälfte im Rheinhessischen lebt, ins Kinderwunschzentrum nach Mainz. Ein zweijähriger Behandlungsmarathon beginnt.

Anfangs nimmt Susanne U. die Behandlung noch recht locker. Nimmt Tabletten, setzt sich Spritzen, fährt alle paar Tage die 40 Kilometer nach Mainz zum Ultraschall und reist ihrem Mann 200 Kilometer hinterher, weil ausgerechnet an diesem Sommernachmittag der optimale Zeitpunkt für eine Befruchtung gekommen scheint.

„Zum Glück war mein Arbeitgeber sehr verständnisvoll“, sagt die Verwaltungsangestellte. Die Arbeitszeiten zu verschieben, ein paar Tage freizunehmen für Behandlungen oder Eingriffe, das sei nie ein Problem gewesen. „Ich kenne aber einige Frauen, die ihren Job deswegen aufgeben mussten“, erzählt Susanne U..

Bei ihr haben alle Bemühungen, dem Körper durch derartige Hilfestellungen auf die Sprünge zu helfen, ebenso wenig Erfolg wie die zwei Versuche der Übertragung von Samenflüssigkeit in die Gebärmutter (IUI). Eine Bauchspiegelung bringt endlich Klarheit: Neben der eingeschränkten Samenfunktion bei ihrem Mann stehen auch verklebte Eileiter bei Susanne U. einer Schwangerschaft im Wege. Nun bleibt nur noch das sogenannte ICSI-Verfahren - die letzte Chance, doch noch ein eigenes Kind zu bekommen. Dabei bringt ein Biologe eine speziell aufbereitete Samenzelle in eine entnommene Eizelle ein, nach der Befruchtung überträgt der Arzt den Embryo in die Gebärmutter. Doch auch dabei gelingt längst nicht jeder Versuch. Susanne und Stefan U. versuchen es viele Male. Fünfmal lässt sich Susanne U. reife Eizellen im Mainzer Kinderwunschzentrum entnehmen, achtmal lässt sie sich mit aufbereiteten Spermien ihres Mannes befruchtete Embryonen einsetzen. Jedes Mal danach die bange Frage: Hat es diesmal geklappt? Wenn nicht, der Fall ins Bodenlose. Susanne U. braucht die Hilfe einer Psychotherapeutin, um dieses Auf und Ab zu verkraften. Auch finanziell investieren Susanne und Stefan U. einiges: Weil die gesetzliche Krankenkasse nur die Hälfte der Kosten von maximal drei ICSI-Behandlungen übernimmt, bezahlt das Paar privat rund 13 000 Euro für Untersuchungen, Eingriffe und Medikamente. Susanne und Stefan U. setzen sich eine Grenze: „Der achte Versuch sollte definitiv unser letzter sein.“

Doch auch nach diesem achten Eingriff scheint zunächst alles wie gewohnt: Wie nach allen Transfers fühlt sich Susanne U. ganz normal, wie jedes Mal kommt vorzeitig eine leichte Blutung. Dass auch dieser Versuch misslungen ist, ist Susanne U. so sonnenklar, dass sie gar nicht mehr hingeht zu dem Bluttest, der eine Schwangerschaft nachweisen kann.

Doch weil eine kleine Operation ansteht, besorgt sich Susanne U. eine Woche später doch noch in der Apotheke einen Schwangerschaftstest - der mit zwei rosa Streifen sofort ein positives Ergebnis anzeigt. Genau 255 Tage später kommt kerngesund und putzmunter die kleine Franziska zur Welt.

Nur noch auf das Ziel fixiert

Auch wenn der Behandlungsmarathon mit Franziska das beste Ende gefunden hat, das es nur geben kann: „Ich war zeitweise psychisch sehr angeschlagen“, sagt Susanne U. rückblickend über die künstliche Befruchtung; und „sehr fixiert auf das Ziel, schwanger zu werden“ - trotz ihrer Arbeit, trotz des Sports und trotz des Engagements in zwei Musikvereinen.

„Pausen einschieben, in Urlaub fahren - einfach versuchen, ein Stück Normalität zu leben“, rät deshalb Susanne U. allen Paaren in dieser schwierigen Zeit. Sie selbst würde alles wieder genauso machen wie beim ersten Mal. Und das wird sie auch: Bald soll Franziska ein Geschwisterchen bekommen.

Von Brigitte Specht