Berlin

Fall Edathy: Kinderschützer vermissen Debatte um Opfer

Sebastian Edathy
Ganz legales Material: Das sagt SPD-Politiker Edathy über die Bilder, aufgrund derer gegen ihn ermittelt wird. Foto: Maurizio Gambarini/Archiv

Der Deutsche Kinderschutzbund kritisiert, dass es in der Affäre um den SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy „nur um das Schicksal der Politiker, nicht aber um das der betroffenen Kinder geht“. Die Kinder und Jugendlichen, die in den von Edathy und anderen offenbar via Internet bestellten Aufnahmen nackt gezeigt werden, spielten keine Rolle.

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Von unserer Korrespondentin Rena Lehmann

„Aber hinter jedem Bild steht auch ein reales Kind, das vielleicht Hilfe und Unterstützung braucht“, sagt Bundesgeschäftsführerin Paula Honkanen-Schoberth im Gespräch mit unserer Zeitung. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den niedersächsischen Innenpolitiker Edathy Anfang vergangener Woche wird öffentlich vor allem die Frage diskutiert, ob führende SPD- und Unionspolitiker frühzeitig von den Ermittlungen gegen Edathy wussten und ihn informiert haben könnten. Aus Sicht des Kinderschutzbundes werden hier falsche Prioritäten gesetzt.

„Es wird gar nicht gefragt, wie solche Bilder eigentlich entstanden sind und wie es den Kindern geht, die darauf zu sehen sind“, kritisiert Honkanen-Schoberth. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte erklärt, Edathy besitze Fotos und Filme „im Grenzbereich zur Kinderpornografie“. Nach bisherigen Erkenntnissen seien die Bilder aber nicht strafrechtlich relevant.

Aus Sicht des Kinderschutzbundes gibt es trotzdem eine rechtliche Grauzone, „die überprüft werden muss“. „Aus unserer Sicht ist auch das Posieren von Kindern vor der Kamera eindeutig strafrechtlich zu verfolgen“, sagt die Bundesgeschäftsführerin. Sie weist auch auf die Umstände hin, unter denen solche fragwürdigen Aufnahmen und Fotos von Kindern gemacht würden. „Bei der Herstellung auch solchen Materials ist meist Gewalt oder Missbrauch im Spiel“, so die Expertin. Die Fotos verletzten überdies die Persönlichkeitsrechte und die Würde der Kinder, die meist nicht abschätzen könnten, was mit den Aufnahmen gemacht wird. Die Kinder würden Scham und Ängsten ausgesetzt, die sich sehr negativ auf ihre Entwicklung auswirken können.

Der Verband drängt auch auf eine stärkere internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Oft ist auf den Fotos kaum zu erkennen, unter welchen Umständen sie wo aufgenommen wurden, meint Honkanen-Schoberth. Man wisse jedoch, dass viele Aufnahmen aus Lateinamerika, Skandinavien und Osteuropa stammen.

In Deutschland hat die Sensibilität im Zuge der Missbrauchsdebatte in den Kirchen und Jugendheimen der vergangenen Monate deutlich zugenommen. „Das könnte für die Hersteller solcher Filme abschreckend wirken“, hofft man beim Kinderschutzbund. Trotzdem hält man es für geboten, gesetzliche „Grauzonen“ künftig auszuschließen.

Auch die für den Jugendschutz zuständige Familienministerin Manuela Schwesig sieht jetzt offenbar Handlungsbedarf. Sie hat am Montag angekündigt zu überprüfen, ob die bestehenden Gesetze für den Kinderschutz „ausreichend sind“. Gegebenfalls soll nachgebessert und könnten Gesetze verschärft werden, sagte eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums in Berlin.