Peking/Berlin

Exportweltmeister machen sich gegenseitig stark

Deutschland und China haben eins gemeinsam: Ihre Exporte boomen. Auch der Handel zwischen den beiden Ländern wird immer lebhafter. Mit prominenten Wirtschaftsvertretern im Tross reist Kanzlerin Merkel ins Reich der Mitte. Doch von dritter Seite hagelt es Kritik.

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Peking/Berlin – Deutschland und China haben eins gemeinsam: Ihre Exporte boomen. Auch der Handel zwischen den beiden Ländern wird immer lebhafter. Mit prominenten Wirtschaftsvertretern im Tross reist Kanzlerin Merkel ins Reich der Mitte. Doch von dritter Seite hagelt es Kritik.

Ein dickes Plus weit jenseits der zehn Prozent, solche Zahlen gab es während der Wirtschaftskrise lange nicht zu hören. China und Deutschland können damit auftrumpfen: Um 35 Prozent legten die chinesischen Exporte nach offiziellen Zahlen in diesem Jahr bisher zu, der Wert der Ausfuhren „made in Germany“ schoss im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent nach oben. Zwar löste China den langjährigen Exportweltmeister Deutschland 2009 ab und wird diesen Titel wohl in absehbarer Zeit auch nicht wieder hergeben. Doch diese Ausgangslage ist weniger ein Wettstreit als eine Gemeinsamkeit, die verbindet.

Das gilt auch für die Gespräche, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer Asienreise unter anderem mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao führen will. Eine illustre Riege deutscher Wirtschaftslenker hat sie gleich mitgebracht. Beide Länder haben in den vergangenen Jahren auch ihren Handel untereinander kräftig ausgebaut. Derzeit ist das bevölkerungsreichste Land der Welt Deutschlands viertwichtigster Handelspartner, 1970 lag China noch auf Platz 36. Maschinen, Autos und Autoteile sind der Renner bei den deutschen Ausfuhren.

Für die Mercedes S-Klasse sind Chinesen nach Daimler-Angaben bereits die wichtigsten Kunden, um 42 Prozent legte der Absatz der Nobelkarossen in China im ersten Halbjahr zu. Die immer zahlreicheren jungen Millionäre aus Peking und Schanghai sollen ebenso zu den Kaufinteressenten gehören wie große Unternehmen und Behörden, von denen es China ebenfalls jede Menge gibt.

Zwar bauen die Chinesen längst eigene Autos und steigen, wie zuletzt der Hersteller Geely bei Volvo, auch bei europäischen Traditionsunternehmen ein. Doch in einem Land, wo sich schon an der Zigarettenmarke der soziale Status ablesen lässt, sind deutsche Marken und Qualität nach wie vor viel wert.

Umgekehrt exportieren die Chinesen vor allem Computer und andere Elektronik sowie Bekleidung nach Deutschland. Von den importierten Sonnenbrillen, weiß das Statistische Bundesamt, kommen fast 90 Prozent aus China – und nur noch 3 Prozent aus Italien.

Beide Länder sind – ganz anders als die USA – eher fürs Sparen als fürs Ausgeben bekannt und häufen dank der Exportstärke jedes Jahr einen gewaltigen Überschuss in ihren Handelsbilanzen an. Und genau dafür müssen sie sich seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise heftige Kritik gefallen lassen. Denn das Geld, das in China und Deutschland übrig blieb, wurde in der Vergangenheit tendenziell nicht im eigenen Land investiert, sondern floss in andere Volkswirtschaften wie die USA – zum Beispiel in völlig überbewertete Immobilien. Diese sogenannten globalen Ungleichgewichte gelten als eine der tieferen Ursachen der Krise.

Die unterschiedlichsten Absender – von der Regierung Brasiliens bis zur streitbaren französischen Finanzministerin Christine Lagarde – hielten deshalb der deutschen Regierung in den vergangenen Monaten vor, die Binnennachfrage zu vernachlässigen und zum Beispiel zu wenig zur Stärkung des Dienstleistungssektors zu unternehmen. China wiederum liegt seit Jahren mit den USA im Clinch, die eine Aufwertung der chinesischen Währung Yuan gegenüber dem Dollar fordert, damit Waren aus dem Reich der Mitte in den USA teurer und die Importe aus China zurückgefahren werden.

Die Bundesregierung bezeichnete sich bisher als falscher Adressat der Kritik, und China lenkte im Währungskonflikt kaum ein. Diese Beharrlichkeit könnte Merkel und Wen einander näherbringen – Exportweltmeister unter sich eben.

Alexander Missal