Rheinland-Pfalz

Die Nacht des Schreckens: 75 Jahre Reichspogromnacht

In jener Nacht des Schreckens brannten vor 75 Jahren auch in Rheinland-Pfalz Synagogen. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging als Reichspogromnacht in die Geschichte ein.

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Von Christian Meinl

Sie war ein düsteres Vorzeichen für den Völkermord an den europäischen Juden. In Rheinland-Pfalz erinnern zahlreiche Veranstaltungen an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte.

Ein zentrales Gedenken ist nicht geplant. „In den Gemeinden finden aber wie jedes Jahr Gedenkfeiern statt“, sagt Peter Waldmann, Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden. Dazu gehören Bad Kreuznach, Koblenz, Mainz, die Rheinpfalz und Trier mit etwa 3000 Mitgliedern. Auch das Land sieht von einer zentralen Feier ab. „Wir möchten keine konkurrierenden Veranstaltungen. Deshalb überlassen wir das Gedenken den kommunalen Gemeinden und Initiativen“, erklärt Wolfgang Faller, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung.

Die Gedenkfeiern verlaufen ähnlich: Neben dem Kaddisch, dem jüdischen Totengebet für die sechs Millionen Opfer des Holocaust, gibt es Ansprachen von Vertretern der jüdischen Gemeinden und der Kommunen, in denen die Synagogen brannten. „Am 9. November werden jedes Jahr viele Worte gemacht und schöne Bekenntnisse abgelegt. Manchmal sind weniger Worte mehr“, meint Waldmann. Es sei wichtig, Gedenktage nicht zu „staatstragenden Akten“ werden zu lassen. Das Gedenken am 9. November soll als Forum dienen, um über die Gesellschaft zu diskutieren. Und nicht nur über Antisemitismus, sondern auch über Fragen wie den Umgang mit Flüchtlingen.

Die Gedenkfeier in Speyer ist erstmals in der neuen Synagoge geplant. Dort werden Juden und Christen an den 75. Jahrestag der Pogromnacht erinnern. Die Initiative ging von Christian Schad, dem Präsidenten der Evangelischen Kirche der Pfalz, aus. Er wurde von der katholischen Kirche unterstützt.

„Auch wir sind gern auf diesen Vorschlag eingegangen“, sagt Daniel Nemirovsky, Geschäftsführer der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz. Für ihn sind Gedenkveranstaltungen auch „Mittel zum Zweck, um für Toleranz zu werben, wie wir das in unserer alltäglichen Arbeit mit Menschen anderer Religionen tun“. So gibt es in Kaiserslautern einen interreligiösen Dialogkreis, an dem Muslime, Christen und Juden teilnehmen.

Bei der Gedenkfeier in Speyer wird ein Zeitzeuge der Reichspogromnacht sprechen. „Wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, geht eine moralische Autorität verloren“, meint Wolfgang Faller. Die Berichte müssten aber auch kritisch gesehen werden. „Zeitzeugen erzählen nicht das, was sie erlebt haben, sondern das, an was sie sich im Augenblick erinnern“, sagt Ralph Erbar, Vorsitzender des Landesverbands im Verband der Geschichtslehrer Deutschlands. Außerdem berichteten Zeitzeugen beim Thema Reichspogromnacht und Holocaust immer aus der Opferperspektive. So werde der Eindruck erweckt, dass es sehr viele Opfer, aber nur sehr wenige Täter gegeben habe, was nicht den Tatsachen entspreche.

Waldmann glaubt, dass es keinen Königsweg gibt, wie man jungen Menschen das Gedenken an Reichspogromnacht und Holocaust vermitteln kann. „Die Erinnerung ist aber wichtig für die Demokratie, denn das Gedenken zeigt, was Faschismus und Nationalsozialismus bedeuten.“ Eine „Historisierung der Ereignisse“ führe dazu, dass viele Menschen denken, das Ganze gehe sie nichts mehr an. „Doch es kann sich alles wiederholen“, warnt Waldmann.

Rhein-Zeitung, 9. November 2013