Corona im Weißen Haus: Wie krank ist Donald Trump wirklich?
Ausgerechnet im Endspurt des Wahlkampfs ist der 74-Jährige nun erst einmal außer Gefecht gesetzt. Für die Kameras reckt er auf dem Weg zum Hubschrauber den Daumen allerdings nach oben, das Signal: Alles in Ordnung. Nach der Landung verschickt er per Twitter ein kurzes Video mit derselben Botschaft: „Ich denke, es geht mir sehr gut“, sagt er dort.
Auch das Weiße Haus bemüht sich, Sorgen zu zerstreuen: Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme auf Empfehlung der Ärzte. Trump werde die nächsten Tage aus eigens dafür eingerichteten Büroräumen im Krankenhaus arbeiten. Der Präsident habe weiter die Kontrolle, eine Übergabe der Amtsgeschäfte an Vizepräsident Mike Pence gebe es nicht, heißt es.
Ein folgenreiches Treffen
Lässt sich Trump – der stets Stärke demonstrieren will – tatsächlich aus reiner Vorsicht ins Krankenhaus bringen? Mit seinem Alter und seinem Übergewicht zählt er zu den Risikogruppen. Die Trump-kritische „Washington Post“ schreibt, man könne diesem Weißen Haus nicht vertrauen, dass es wahrheitsgemäß über Trumps Gesundheitszustand informiere.
Selbst tendenziell Trump-freundliche Journalisten zeigen sich inzwischen genervt über den laxen Umgang mit der Wahrheit in der Regierungszentrale. Deren Sprecherin Kayleigh McEnany ist am Freitag nicht nur mit der Gesundheitsfrage beschäftigt – Trump weise nur „leichte Symptome“ auf, sagt sie –, sie muss sich auch zu einem Vorgang äußern, der für Trump heikel werden könnte.
McEnany räumt ein, dass das Weiße Haus bereits am Donnerstag wusste, dass Trumps enge Beraterin Hope Hicks – die in den Tagen zuvor an der Seite des Präsidenten gereist war – positiv getestet wurde. Trotzdem traf Trump danach in seinem Golfclub in Bedminster im Bundesstaat New Jersey mit Spendern zusammen, US-Medienberichten zufolge kosteten die Tickets bis zu 25.000 Dollar. Hat Trump wissentlich seine eigenen Unterstützer gefährdet? „Es wurde befunden, dass es sicher für den Präsidenten ist, dorthin zu reisen“, sagt McEnany vage. Ein schwacher Trost für die Teilnehmer, die am Freitag von New Jerseys Gouverneur Phil Murphy aufgefordert wurden, sich testen zu lassen.
Am Samstag vor seiner positiven Corona-Diagnose hatte Trump zur Vorstellung seiner Kandidatin für den Supreme Court, Amy Coney Barrett, in den Rosengarten des Weißen Hauses eingeladen. Die Besucher – viele ohne Maske – saßen dabei dicht an dicht. Außer von Trump und seiner Ehefrau wurde nun von mindestens fünf weiteren Teilnehmern bekannt, dass sie mit dem Coronavirus infiziert sind.
Darunter sind zwei Senatoren aus dem Justizausschuss, der Barrett ab dem 12. Oktober anhören soll. Trump will die Richterin noch vor der Wahl am 3. November im Amt sehen. Auch bei der früheren Trump-Beraterin Kellyanne Conway fiel der Corona-Test positiv aus. Jetzt stellt sich die Frage: Wurde die Vorstellung Barretts zu einem für Trump folgenreichen Superspreader-Event?
Dass der Republikaner Trump die Schutzmaßnahmen seiner eigenen Gesundheitsbehörde CDC in den Wind schlägt, ist allerdings nicht neu. Als er im vergangenen April im Weißen Haus die CDC-Empfehlung verkündet, Masken zu tragen, fügt er nahtlos hinzu: „Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun.“
Unter Trump ist das Tragen von Masken zum Politikum geworden: Wer einen Mund-Nasen-Schutz anhat, gehört für seine Anhänger tendenziell zum gegnerischen Lager. Kaum verwunderlich also, dass unter den Tausenden Besuchern bei Trumps Wahlkampfveranstaltungen, an denen er trotz aller Kritik festhielt, kaum jemand eine Maske trägt.
Nicht nur Trump gibt in dieser Hinsicht ein schlechtes Vorbild ab. Bei der ersten TV-Debatte zwischen Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden am Dienstag in Cleveland trugen die Angehörigen der Präsidentenfamilie zwar beim Betreten des Saals noch Masken, nahmen diese dann aber ab. „Das verstieß eigentlich gegen die Regeln der Cleveland-Klinik, die für alle Sicherheitsfragen innerhalb der Halle zuständig war“, sagt Debatten-Moderator Chris Wallace am Freitag seinem Sender Fox News. Trump selbst spottete beim TV-Duell darüber, dass Biden stets eine Maske trägt.
Umfragen zufolge trauen mehr Amerikaner Biden eine Bewältigung der Corona-Krise zu als Trump. Letzterer war erst kürzlich in die Kritik geraten, weil er in Interviews des Investigativreporters Bob Woodward zugegeben hatte, die Gefahr durch das Coronavirus kleinzureden – der Präsident führte zu seiner Verteidigung an, dass er Panik habe vermeiden wollen.
Womöglich hat Trump die Gefahr bislang einfach nicht ernst genug genommen, obwohl die Pandemie in den USA schon mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet hat. Trump sagte Woodward auf die Frage, ob er besorgt über eine mögliche Infektion sei: „Nein, das bin ich nicht.“ Warum? „Ich weiß es nicht. Ich bin es einfach nicht.“
Trump und die Wissenschaft
Diese Haltung rächt sich nun. Dass Trump eher seinem Bauchgefühl als Wissenschaftlern traut, zeigt sich an Äußerungen wie jener, dass das Virus irgendwann einfach verschwinden werde. Stattdessen hat es ihn nun erwischt – 32 Tage vor der US-Wahl, bei der Umfragen derzeit Biden vor Trump sehen.
Trumps Wahlkampfchef Bill Stepien teilte am Freitag mit, alle bereits angekündigten Wahlkampfveranstaltungen mit persönlichen Auftritten Trumps würden verschoben oder ins Internet verlagert. Offen ist, ob Trump vor der nächsten geplanten TV-Debatte in weniger als zwei Wochen wieder fit sein wird. Das ist eine gewisse Ironie der Geschichte. Schließlich hat Trump sich regelmäßig darüber lustig gemacht, dass Biden im Wahlkampf wegen der Pandemie selten auftritt – und wenn, dann nur vor wenigen Leuten.
Nach seinem Zusammentreffen mit Trump bei der TV-Debatte ließ sich Biden am Freitag ebenfalls auf das Coronavirus testen. Ergebnis: negativ. Während Trump einen am Abend geplanten Auftritt in Florida absagen musste, setzte Biden seinen Wahlkampf fort. Er sparte sich dabei jede direkte Kritik an seinem infizierten Kontrahenten.
Stattdessen gab Biden sich präsidial und wünschte dem Präsidenten und der ebenfalls infizierten First Lady Melania Trump schnelle Erholung. „Wir als Nation müssen besser mit dieser Pandemie umgehen“, mahnte der ehemalige Vizepräsident bei einem Auftritt in Great Falls im Bundesstaat Michigan. „Das kann kein parteiischer Moment sein. Es muss ein amerikanischer Moment sein. Wir müssen als Nation zusammenkommen.“