Borkenkäfer, Pandemie und Co.: Der Wald steckt tief in der Krise

Von Volker Boch
Sieht idyllisch aus, ist es aber nicht: So wie hier im Westerwald haben die vergangenen drei Jahre mit andauernder Trockenheit und massivem Befall durch Buchdrucker in den Forsten deutliche Spuren hinterlassen. Zehn Millionen Festmeter Käferschadholz gibt es allein in Rheinland-Pfalz.  Foto: Sascha Ditscher
Sieht idyllisch aus, ist es aber nicht: So wie hier im Westerwald haben die vergangenen drei Jahre mit andauernder Trockenheit und massivem Befall durch Buchdrucker in den Forsten deutliche Spuren hinterlassen. Zehn Millionen Festmeter Käferschadholz gibt es allein in Rheinland-Pfalz. Foto: Sascha Ditscher

Massive Schäden durch den Buchdrucker, eine besonders gefährliche Borkenkäferart, und die Herausforderungen des Klimawandels stehen einer enormen Sehnsucht gegenüber, die von der Corona-Krise befeuert wird: Wir alle sehnen uns nach einem gesunden Wald, einem freien, sicheren und erholsamen Ort, der Leben und Sauerstoff spendet. Dabei steckt der Wald tief in der Krise, wie der Tag des Waldes an diesem Sonntag deutlich macht.

Lesezeit: 3 Minuten

Vor 50 Jahren hat die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen den 21. März als Tag des Waldes ausgerufen. 1971, noch bevor in der Gesellschaft Sorgen vor einem Sterben des Waldes an Raum gewannen, verankerte die FAO mit diesem Tag ein Anliegen: die Wälder der Erde zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Dieser Anspruch ist aktueller denn je, wie ein Blick längst nicht nur auf die Borkenkäferproblematik deutlich macht. Christian Keimer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kastellaun (Rhein-Hunsrück-Kreis) und seit November 2018 Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Rheinland-Pfalz, sieht große Herausforderungen:

Herr Keimer, begeht der Waldbesitzerverband den Tag des Waldes eher als Trauerfeier oder als Tag, der Anlass zu Hoffnung gibt?

Der Gesundheitszustand der rheinland-pfälzischen Wälder ist so besorgniserregend wie noch nie. Die Trockenheit und der anschließende Borkenkäferbefall, aber auch die vermehrt auftretenden Orkane haben in den vergangenen drei Jahren tiefe Spuren in den Wäldern hinterlassen. Die Folgen des Klimawandels haben dazu geführt, dass laut Waldschadensbericht mittlerweile 45 Prozent der Waldbäume in Rheinland-Pfalz deutliche Kronenschäden aufweisen.

Im Landtagswahlkampf war der Klimaschutz ein wichtiges Kernthema. Stand der Wald dabei genug im Fokus?

Durch die enormen Waldschäden in Rheinland-Pfalz, wir verzeichnen mehr als zehn Millionen Festmeter Schadholz auf einer wieder aufzuforstenden Fläche von 25.000 Hektar, steht das Thema Wald wieder im Fokus der Politik. Allerdings wird noch zu wenig der Zusammenhang erkannt, dass die Forst- und Holzwirtschaft bundesweit mehr als 127 Millionen Tonnen CO2, das entspricht rund 14 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes, durch das Wachstum der Wälder und die Verwendung von Holzprodukten speichert.

Wo drängen die Probleme im Wald derzeit am stärksten?

Seit 2018 fehlt den Wäldern der ausreichende Niederschlag während der Vegetationsperiode. Was heute Klimawandel heißt, können wir am Waldzustand ablesen. Das größte Problem für die privaten und kommunalen Waldbesitzer ist die kurzfristig fehlende Liquidität für Investitionen in den Waldschutz und in die Wiederaufforstung. Auch die großen Vorratsverluste werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die wirtschaftliche Situation der Waldbesitzer belasten.

Der Schaden durch Borkenkäfer ist in den Wäldern deutlich erkennbar. Wo stehen die Landkreise, wo steht das Land im Bundesvergleich?

In Rheinland-Pfalz ist besonders der rechtsrheinische Landesteil, der Westerwald und der Taunus, betroffen. Aber die extrem trockenen und warmen Sommer der vergangenen Jahre haben auch den Wäldern in den Mittelgebirgslandschaften von Eifel, Hunsrück und Pfälzer Wald zugesetzt. Bundesweit gibt es die größten Waldschäden in Nordrhein-Westfalen, in Nordhessen und in Thüringen.

Welche Erwartungen haben Sie an die neue Landesregierung?

Der Waldbesitzerverband hat bereits 2019 gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung den sogenannten Waldpakt geschlossen mit dem Titel „Klimaschutz für den Wald – Unser Wald für den Klimaschutz“. Schon damals waren die Herausforderungen, die durch die Klimakrise auf die Waldbesitzenden zukommen, zu erkennen. Die Umsetzung dieser Vereinbarung wird ein Maßstab sein, an dem wir das Handeln der neuen Landesregierung messen müssen. Bei den ideellen Unterstützungen erwarten die Waldbesitzer, dass ihre Leistungen für den Wald Anerkennung finden. Schutz durch Nutzung ist die richtige Strategie. Nicht die Flächenstilllegung im Wald ist das Gebot der Stunde, sondern seine Bewirtschaftung. Nur so kann der Wald einen wirksamen Beitrag zur CO2-Bindung leisten und zum Klimaschutz beitragen.

Im Rhein-Hunsrück-Kreis wurde im Dezember ein Sonderpakt Wald über 1 Million Euro vom Kreistag beschlossen. Wie effektiv ist das?

Diese Entscheidung des Kreises, die Waldwirtschaft der Gemeinden und Städte zu unterstützen, ist positiv und zur Nachahmung in anderen Kreisen zu empfehlen. Über den Verteilungsschlüssel will der Kreistag in einer erneuten Sitzung entscheiden. Für mich ist klar, dass die Gelder im Schwerpunkt in den Wiederaufbau der durch Dürre und Borkenkäfer geschädigten Flächen fließen müssen.

Bei der Jahrestagung der Waldbesitzer Rheinland-Pfalz haben Sie im November 2018 gegenüber der damals anwesenden Bundesministerin Julia Klöckner dringende Hilfen durch Bund und Land gefordert. Was ist gekommen?

Bereits im Laufe des Jahres 2019 wurden die Fördermittel des Bundes aufgestockt. 800 Millionen Euro stehen für die nächsten vier Jahre für private und kommunale Forstwirtschaft auf Bundesebene zusätzlich zur Verfügung. In Rheinland-Pfalz bedeutet das, dass wir in den nächsten vier Jahren rund 20 Millionen Euro pro Jahr zusätzliche Fördermittel zur Verfügung haben. Darüber hinaus können die Waldbesitzer für eine nachweislich nachhaltige Waldwirtschaft 100 Euro je Hektar Bundesprämie erhalten. Im Rahmen des Sonderprogramms der Corona-Hilfen stellt der Bund noch einmal 500 Millionen Euro zur Verfügung. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Hilfen pro Hektar verstetigt werden. Dabei handelt es sich nicht um Fördermittel, sondern um Entgelte für Leistungen, die der Wald erbringt. Der Wald bindet das CO2 aus der Luft. Im Zuge des Energie- und Klimafonds wird ab Januar 2021 der Ausstoß von CO2 besteuert. Es ist nicht mehr als richtig und sachgerecht, dass die Waldbesitzer, die Teile dieses CO2 in den Wäldern und in anschließenden Holzprodukten speichern, diese Leistungen honoriert bekommen.

Volker Boch

Der rheinland-pfälzische Wald in Zahlen

Mehr als 42 Prozent der Landesfläche von Rheinland-Pfalz sind mit Wald bedeckt, gemeinsam mit Hessen gilt es als waldreichstes Bundesland. Die Waldfläche im Land umfasst insgesamt gut 840.000 Hektar. Rheinland-Pfalz war nicht immer so stark bewaldet.

Ende des 18. Jahrhunderts galt der Wald als nahezu zerstört. Seit 1950 hat die Waldfläche im Land um mehr als 11 Prozent zugenommen. Verstärkt werden Mischwälder angebaut, heute sind 50 Baumarten im Land heimisch.

Meistgelesene Artikel