AfD-Chefs Lucke und Petry wollen nicht miteinander: Wenn zwei sich streiten...:

Die Wähler in Deutschland sind als besonders harmoniesüchtig bekannt. Sie mögen keinen Streit, nicht in der Regierung und schon gar nicht in Parteien. Die erst zweijährige Alternative für Deutschland (AfD) hat nach Wochen der Querelen – Ende noch offen – in Umfragen schon deutlich Federn gelassen.

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Sie müsste heute um den Einzug in den Bundestag fürchten. Dabei sahen frühere Umfragen sie über Monate deutlich über 5 Prozent. Nicht nur die Parteibasis wird langsam nervös. Alles läuft nun auf eine Richtungsentscheidung beim Bundesparteitag am 13. Juni in Kassel hinaus. Die Frage heißt: Führt künftig Bernd Lucke oder Frauke Petry die Partei? Oder gibt es am Ende einen lachenden Dritten?

Zwischen Lucke und Petry scheint das Tischtuch jedenfalls unwiderruflich zerschnitten. Erst erklärten beide am Freitag, dass sie nicht länger im Vorstand zusammenarbeiten wollen. Zurzeit haben beide noch gleichberechtigte Sprecherposten, Dritter im Bunde ist Konrad Adam, heute ebenfalls eher ein Anhänger des Petry-Lagers. Beim letzten großen Parteitreffen im Januar in Bremen hat sich Lucke mit seiner Forderung nach einer Satzungsänderung, die künftig nur noch einen alleinigen Vorsitzenden mit zwei Stellvertretern vorsieht, noch gerade so durchsetzen können.

Am Wochenende nun haben Vertreter aus 13 Landesverbänden bei einem geheimen Krisentreffen in Würzburg sowohl Frauke Petry als auch Bernd Lucke zum künftigen Machtverzicht aufgefordert. Damit soll die Partei vor dem Zerfall bewahrt werden. Lucke steht für die Euro-kritische Haltung, mit der die AfD sich im Februar 2013 offiziell gründete. Petry steht für einen rechtskonservativen Kurs und will die AfD auch in Fragen der Einwanderungs- und Familienpolitik deutlich rechts der CDU positionieren.

Lucke musste schon in Bremen klar sein, dass die Entscheidung der Parteibasis für einen künftigen alleinigen Vorsitzenden nicht zwingend bedeutet, dass dieser Vorsitzende Bernd Lucke heißt. Petry überzeugte beim Parteitag viele mit einer pragmatisch-verbindlichen Rede. Man traut auch ihr das Amt zu, sie selbst sich sowieso. Lucke kommentierte die Forderung nach einem Amtsverzicht von ihm und Petry mit den Worten: „Ich würde mich einer solchen Lösung nicht verschließen, wenn es dem Wohl der Partei dient.“ Petry aber hat bereits dankend abgelehnt. Sie will es also notfalls zur offenen Kampfabstimmung kommen lassen.

Ihre Reaktion zeigt, dass sie sich einen Sieg zutraut, während der Lucke-Flügel offenbar ernsthaft um eine Mehrheit für ihren Favoriten fürchten muss. Die Landesvorsitzenden betrachten die Zerwürfnisse an der Spitze zunehmend mit Unbehagen. „Wir wollen deshalb, dass eine Person die Führung übernimmt, die unbelastet ist“, sagt der gerade erst wiedergewählte rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Uwe Zimmermann. Das Ziel: „Ruhe reinkriegen“, „einen Neuanfang machen“, sagt er. Nur die AfD-Landesverbände Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen waren bei dem Treffen in Würzburg nicht dabei. Nach Angaben von Zimmermann seien zwar schon Namen gefallen, festlegen will man sich in der Gruppe aber erst bis zum Parteitag. Bei dem möglichen neuen Vorsitzenden handelt es sich offenbar um einen noch eher unbekannten AfD-Politiker aus den Landesverbänden. „Wir werden eine Lösung im Interesse der Partei finden“, meint Zimmermann, der zu den Mitunterzeichnern von Luckes „Weckruf“ an die Mitglieder in der vergangenen Woche zählt.

Mit der Initiative wollen Lucke und seine Mitstreiter die AfD auf einem gemäßigten Kurs halten, es wäre jedoch auch eine Abspaltung der „Weckruf“-Unterzeichner denkbar. In dem Aufruf heißt es: „Es ist ein Alarmsignal, dass einige führende Vertreter der AfD Entwicklungen decken und fördern, die das Ansehen der AfD ramponieren. Es ist ein Alarmsignal, dass drei Landesvorsitzende öffentlich die Mitgliedschaft in der rechtsextremen NPD verharmlosen.“ Die Reaktion von Frauke Petry folgte unmissverständlich. Sie wollte 90 Mitglieder aus ihrem sächsischen Landesverband, die sich dem „Weckruf“ anschlossen, aus der Partei ausschließen. Ihr Vorhaben scheiterte aber am Veto des Bundesvorstands. Ein erster Dämpfer für Petry. Inzwischen wird in der AfD mit harten Bandagen gekämpft.

Aber während die etablierten Parteien schon ihr Totenglöckchen läuten, hält der Parteienforscher Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden die Querelen für einen normalen Prozess in einer jungen Partei. Die AfD vergleicht er mit den Grünen in ihren Anfängen. „Auch die Grünen mussten anfangs immer wieder die Konflikte zwischen Fundis und Realos auflösen“, meint Patzelt. Er hält für wahrscheinlich, dass die AfD sich trotz der Querelen etabliert. Mit den Themen Einwanderung und Euro-Rettung hätte die AfD anders als etwa die Piraten „mobilisierende Dauerthemen“. Aus Sicht des Parteienforschers hat sich Bernd Lucke in den vergangenen Wochen eher ins Abseits manövriert als Frauke Petry. „Mit seinem ,Weckruf‘ hat er das getan, was man früher in kommunistischen Parteien Fraktionsbildung genannt hätte“, sagt Patzelt.

In den vergangenen Monaten hatte es am Führungsstil von Lucke immer wieder Kritik gegeben. Es hieß, er führe autoritär und ließe keine anderen Meinungen als seine eigene gelten. Nun wird es immer wahrscheinlicher, dass er den Machtkampf verliert.

Rena Lehmann