Openleaks: 100 digitale Babyklappen für Geheimnisverräter – Anwärter werden gewählt

Daniel Domscheit-Berg auf der Re:Publica; Bei der Suche nach Partnern für die Whistleblowing-Plattform Openleaks soll die Öffentlichkeit abstimmen können.
Daniel Domscheit-Berg auf der Re:Publica; Bei der Suche nach Partnern für die Whistleblowing-Plattform Openleaks soll die Öffentlichkeit abstimmen können. Foto: Lars Wienand

Berlin. Castingshow mal anders: Die Deutschen sollen wählen dürfen, welche Organisationen und Medien eine Art „Babyklappe“ für brisante Geheimnisse bekommen. So denkt es sich Daniel Domscheit-Berg, Aussteiger bei Wikileaks und Triebfeder hinter der Idee der neuen Plattform Openleaks. Openleaks könnte auch Katalysator für eine neue Organisation werden.

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Berlin – Casting mal anders: Die Deutschen sollen wählen dürfen, welche Organisationen und Medien eine Art „Babyklappe“ für brisante Geheimnisse bekommen. So denkt es sich Daniel Domscheit-Berg, Aussteiger bei Wikileaks und Triebfeder hinter der Idee der neuen Plattform Openleaks. Openleaks könnte auch Katalysator für eine neue Organisation werden.

„Babyklappe“ ist ein Bild, das Domscheit-Berg während der Bloggerkonferenz „Re:Publica“ in Berlin erstmals nutzte. Dort war Domscheit-Berg nicht ganz so umlagert wie ein Jahr zuvor, als er zum innersten Zirkel von Wikileaks gehörte.

Das ist vorbei, er hat mit Wikileaks gebrochen, kritisiert die Strukturen und Arbeitsweise von Gründer Julian Assange und will es mit Openleaks anders machen, transparenter. Allerdings lässt der Start auf sich warten: Seit die tags zuvor bereits selbst bei Cryptome geleakte Seite am 27. Januar mit Informationen online gegangen ist, hat sich zumindest erkennbar nichts getan. „Es richtig zu machen, ist uns wichtiger, als schnell online zu sein“, sagt Domscheit-Berg. Er kündigte aber an, dass „bald“ etwas zu sehen sein soll. Die Pressestimmen 2012 schweben ihm auch schon vor: „Es brauchte einige Zeit, aber das war es wert“...

Ein wichtiger Punkt: die Sicherheit. Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar meinte ebenfalls bei der Pe:Publica: „So eine Plattform ist ein IT-System, und IT ist nie hundertprozentig sicher. Das kann den 100 Prozent aber sehr nahe kommen.“ Domscheit-Berg stimmte zu: „Jedes Detail bei der Technik kann einen extremen Unterschied ausmachen.“ Und Openleaks solle „robuste Sicherheit für Quellen und Partner“ bieten. Das abgeschirmte System zum Übertragen von Dokumenten soll für die einzelnen Partner angepasst werden, die Anforderungen an das Front-End seien völlig unterschiedlich.

An 100 Partner ist gedacht, zu gleichen Teilen Nirchtregierungsorganisationen und Medien. Losgehen wird es zunächst mit „Babyklappen“ auf den Internetseiten von sechs Partnern: Auf deren Seite sollen dann Menschen Geheimnisse, für die sie nicht selbst die Verantwortung übernehmen können, unter völligem Schutz ihrer Identität ablegen, um Missstände aufzudecken. Das soll auch Grund gewesen sein, weshalb etwa die US-Botschaftsdepeschen an Wikileaks gelangten. Der Obergefreite Bradley Manning wird verdächtigt, die Daten weitergegeben zu haben und wird deshalb in den USA unter Bedingungen in Einzelhaft gehalten, die international auf Kritik stoßen. Manning steht auch zur Wahl für die Person des Jahres beim Time Magazine.

Doch international für Wirbel sorgenden Fälle wie Cablegate seien nur ein Teil der Möglichkeiten des Whistleblowings, wie die gezielte Indiskretion von Missständen heißt. Volle Macht entfalte sie erst, wenn die Plattformen auch Korruption im Rathaus um die Ecke ans Licht bringen könne. Openleaks soll das mit seinen Partnern könnten – oder das Wissen und die Erfahrungen sammeln und liefern, damit dafür auch andere, ähnliche Plattformen entstehen können.

Bislang hatte Domscheit-Berg die Dropboxen Briefkästen genannt – aber das Bild wird der Rolle der Menschen nicht gerecht, die Informationen in die „Babyklappen“ legen. Sie sollen mehr Kontrolle für ihr Datenbündel bekommen als beim Einwerfen in einem Briefkasten. Es soll sichergestellt sein, dass die verwaisten Daten auch jemanden finden, der sie aufpäppelt und ans Licht bringt. „Wir wollen der Quelle so viel Macht geben wie möglich. Partikulärinteressen sollen nie eine Veröffentlichung verhindern.“

Quellen sollen selbst angeben können, an wen ihr Material wie lange exklusiv gehen soll, ehe es dann auch an andere geleitet wird. Partner von Wikileaks wie der „Spiegel“ sitzen immer noch auf einer Vielzahl von US-Depeschen, ohne dass andere Medien oder interessierte Bürger sie betrachten oder gar bewerten können.

Einige der Partner drängen sich da geradezu auf: Greenpeace, Amnesty International oder auch Foodwatch. Die Öffentlichkeit soll allerdings über die Hälfte der Zugänge mitentscheiden. Ein ernsthaftes „Deutschland sucht die Super-NGO“, sagt Domscheit-Berg im Scherz. „Es geht darum, welche Organisationen und Medien in den Augen der Bevölkerung entsprechende Informationen erhalten sollten.„ Wie die Abstimmung aussehen könnte, ist noch völlig offen, Teilnehmer beim Chaos Communication Camp sollen eingebunden werden, so Domscheit-Berg.

Die Öffentlichkeit soll auch bei der Auswahl der Medienpartner beteiligt werden. Denkbar sei dann auch, dass am Jahresende jeweils fünf Plätze von „faulen“ Partnern neu vergeben werden. Geld sollen die Partner nicht zahlen, nach Möglichkeit sollen sie aber Ressourcen wie Rechnerkapazitäten zur Verfügung stellen, um die Betriebskosten niedrig zu halten. Ein “Diskriminierung von finanziellen Möglichkeiten" soll es nicht geben. Openleaks soll also nicht nur große Verlagshäuser offen stehen.

Lars Wienand