Brüssel

EU plant den Radiergummi fürs Internet

Die EU legt sich mit Facebook und Co. an: Internet-Nutzer sollen private Informationen im Web – etwa bei sozialen Netzwerken – vollständig löschen können. Dies sehen neue Regeln vor, die Justizkommissarin Viviane Reding präsentiert hat.

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Brüssel – Die EU legt sich mit Facebook und Co. an: Internet-Nutzer sollen private Informationen im Web – etwa bei sozialen Netzwerken – vollständig löschen können. Dies sehen neue Regeln vor, die Justizkommissarin Viviane Reding präsentiert hat.

Kern der umstrittenen Datenschutz-Vorschriften ist das „Recht auf Vergessen“. Es bedeutet: Einmal veröffentlichte private Informationen wie Fotos oder Einträge in sozialen Foren müssen auf Wunsch aus dem Internet verschwinden.

Bisher ist es gerade bei sozialen Netzwerken oft nicht möglich, Angaben vollständig zu löschen. Selbst wenn ein Foto aus dem Netz genommen wird, bleibt es noch bei dem Unternehmen gespeichert. Künftig soll jeder Nutzer seine Daten vollkommen kontrollieren – und bei sozialen Netzwerken die komplette Löschung persönlicher Angaben durchsetzen können.

Verstöße gegen Datenschutz-Vorgaben kommen Firmen teuer zu stehen. Vorgesehen sind Bußgelder bis zu 1 Million Euro oder bis zu 2 Prozent des weltweiten Umsatzes. Verhängen sollen sie die nationalen Aufsichtsbehörden.

Bürger können sich mit Beschwerden an diese Behörde ihres Landes richten, auch wenn es um ein Unternehmen außerhalb der EU geht.

Denn auch für nicht europäische Firmen gelten die neuen Regeln, wenn sie mit Kunden in Europa Geschäfte machen – selbst wenn die Daten gar nicht in der EU verarbeitet werden. Damit soll sichergestellt werden, dass sich US-Unternehmen wie Google oder Facebook nicht an den strikten Regeln vorbeischummeln. Sie müssen ihre Kunden künftig vor der Weiterverarbeitung der Daten – vom Namen über die E-mail bis zur IP-Adresse des Computers – explizit nach ihrer Zustimmung fragen, anstatt von stillschweigendem Einverständnis auszugehen, wie es derzeit häufig geschieht.

Bei der erstmaligen Registrierung eines Nutzerkontos muss automatisch die höchste Datenschutzstufe eingestellt sein. Internet-Anwender sollen zudem unkompliziert Auskunft erhalten, was Onlinenetzwerke oder der Versandhandel alles über sie wissen. Gehen Daten verloren oder werden gestohlen, müssen die betroffenen Firmen und Organisationen die Betroffenen und die nationalen Aufsichtsbehörden binnen 24 Stunden über den Verlust informieren.

Daten- und Verbraucherschützer begrüßten den Vorstoß als Schritt in die richtige Richtung. Jedoch zweifeln Experten an der Umsetzbarkeit. Der Bundesvorsitzende der Piraten-Partei, Sebastian Nerz, betonte, das Recht auf Vergessen im Internet offenbare „ein beinahe naives Verständnis von Technik“. Die Regeln seien in Teilen technisch nicht durchsetzbar und völlig abwegig. Befürchtungen aus Deutschland vor sinkenden Datenschutz-Standards wies EU-Kommissarin Reding als unbegründet zurück. „Die deutschen Datenschutzregeln sind unter den besten in Europa, deshalb dehne ich das hohe Niveau auf die 26 anderen Staaten aus“, unterstrich sie.

Damit die Regeln in Kraft treten können, müssen Europaparlament und EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Geben sie grünes Licht, wird die Neuregelung zwei Jahre später in allen EU-Staaten Recht. Anja Ingenrieth