Kommentar: Brustentfernung kann und muss eine Ausnahme bleiben

Brustkrebs kann Frauen die Weiblichkeit rauben. Das macht ihn zu einem so sensiblen Thema – für Frauen und Männer. Als Mann hat mich ein selbstverständlich klingender Satz während meiner Recherche zur Brustentfernung der US-Schauspielerin Angelina Jolie zum Nachdenken gebracht: „Eine Frau besteht nicht nur aus einer Brust.“

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Gesagt hat ihn die Mainzer Ärztin Dr. Doris Rink. So sehr die Medizinerin den Fall Jolie problematisch findet, weil sie fürchtet, dass sich viele Frauen den Hollywoodstar zum Vorbild nehmen könnten – sie weiß auch, wie sehr eine Brustoperation eine Beziehung zwischen Mann und Frau auf die Probe stellen kann. Das liegt auch daran, dass die Brüste wie kein anderes Körperteil der Frau in der öffentlichen Wahrnehmung zur Ikone der Weiblichkeit stilisiert werden.

Deshalb berührt der Fall Jolie so viele Menschen. Denn Brad Pitt – für viele Frauen auf der Welt ein Traum von Mann – unterstützt seine Ehefrau bei ihrer Entscheidung, weil seine Frau eben nicht nur aus einer Brust besteht. Dies ist ein riesiges Ausrufezeichen in einer Welt der Schönen, die ihren Ruhm und Reichtum vor allem auch mit ihrem Körper begründet haben. Die Wirkung besonders auf jüngere Frauen sollte man nicht unterschätzen. Stars wie Angelina Jolie und Brad Pitt sind für viele immer noch ein Vorbild.

Daher ist zu hoffen, dass der Brustkrebs durch ihre mutige Entscheidung für viele Menschen ein wenig an Schrecken verliert, zumal die Heilungschancen durch eine immer bessere Früherkennung deutlich gestiegen sind. Allerdings ist Jolies Schritt auch Ausdruck einer weltfernen Sicht eines Hollywoodstars. Viele Angehörige von Brustkrebspatientinnen leben längst das, was das Ehepaar Jolie/Pitt jetzt als mutige Entscheidung öffentlichkeitswirksam verkauft.

Dazu beigetragen haben Institutionen mit vielen ehrenamtlichen Kräften wie die Krebsgesellschaft. In Workshops und Seminaren haben sie den Patientinnen und ihren Lebenspartnern die Angst vor dem Brustkrebs ein Stück weit genommen. Vor allem aber werben sie seit Jahren unermüdlich für eine Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen – trotz mancher Häme und viel Kritik am Screening. Für die normale Frau jenseits der finanziellen Möglichkeiten einer Angelina Jolie dürfte die Früherkennung der bessere Weg sein, um sich gegen ein Mammakarzinom zu wappnen.

Eine Brustentfernung muss und kann so die Ausnahme bleiben. Obwohl ich Hollywood persönlich sehr mag, hat mich die Geschichte einer Brustkrebspatientin aus dem Land, die meine Kollegin Nina Borowski aufgeschrieben hat, deutlich mehr berührt. Da ist von zwei Männern die Rede – Arzt und Ehemann. Beide haben der Frau viel Mut zugesprochen. Und ihr Ehemann stand immer hinter ihr – wie Brad Pitt.

E-Mail: christian.kunst@rhein-zeitung.net