Rheinland-Pfalz

Ärztin: Hätte Jolie zum Screening geschickt

Steht hinter seiner Frau: USSchauspieler Brad Pitt hat Gattin Angelina Jolie für ihre Entscheidung zur Brustentfernung in höchsten Tönen gelobt.
Steht hinter seiner Frau: USSchauspieler Brad Pitt hat Gattin Angelina Jolie für ihre Entscheidung zur Brustentfernung in höchsten Tönen gelobt. Foto: dpa

Wer Dr. Doris Rink auf die vorsorgliche Brustamputation der US-Schauspielerin Angelina Jolie anspricht, der bekommt keine Lobeshymnen zu hören, wie sie jetzt durch Hollywood und die US-Gazetten klingen. Stattdessen findet die Medizinerin nur nüchtern-rationale Worte für die Entscheidung der Amerikanerin: „Dann hätte sie sich eigentlich auch die Eierstöcke entfernen lassen müssen“, sagt die verantwortliche Ärztin für das Brustkrebsscreening- Programm in der Region Rheinhessen.

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Denn Fakt sei, dass das defekte Gen BRCA1 auch Eierstockkrebs auslöst. Doch darüber habe die 37-Jährige in der Öffentlichkeit nicht berichtet. Dies wäre jedoch wichtig, meint Rink, weil diese Operation noch weitreichendere Folgen hat als die Brustamputation: „Frauen, die sich die Eierstöcke entfernen lassen, befinden sich von heute auf morgen in den Wechseljahren. Das ist auch psychisch eine enorme Belastung.“

Steht hinter seiner Frau: USSchauspieler Brad Pitt hat Gattin Angelina Jolie für ihre Entscheidung zur Brustentfernung in höchsten Tönen gelobt.
Steht hinter seiner Frau: USSchauspieler Brad Pitt hat Gattin Angelina Jolie für ihre Entscheidung zur Brustentfernung in höchsten Tönen gelobt.
Foto: dpa

Eine psychoonkologische Beratung ist daher bei einer – in Deutschland weiterhin sehr seltenen – vorsorglichen Brustamputation Pflicht, berichtet Rink. Hätte eine Patientin wie Angelina Jolie, deren Mutter an Brustkrebs gestorben ist, vor ihr gesessen, sagt die Ärztin, „dann hätte ich sie alle zwei Jahre zur Früherkennung eingeladen, und wenn sie schon einen positiven Gentest mitgebracht hätte, dann hätte ich sie auf jeden Fall zu einem Psychoonkologen geschickt“.

Rink hält es für sehr problematisch, dass Jolie mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit gegangen ist: „Wer so im Fokus des Interesses steht, sollte sich gut überlegen, ob das unbedingt in die Öffentlichkeit muss. Eine Brustentfernung ist eine ganz persönliche Entscheidung jeder Frau.“ Allenfalls könnte der Fall Jolie vielen Frauen die Angst vor einer Brust-OP nehmen, bei der meist nur Teile der Brust entfernt werden.

Ermutigend sei dabei auch die Unterstützung durch Jolies Ehemann Brad Pitt. Allerdings glaubt Doris Rink nicht, „dass dadurch auch nur eine zusätzliche Frau zum Brustkrebsscreening geht“. Dafür kämpft die Medizinerin jedoch, weil es für sie die beste Strategie ist, um möglichst viele Frauen vor dem Brustkrebstod zu bewahren. Insbesondere in der Stadt Mainz macht ihr seit Jahren zu schaffen, dass viele Gynäkologen und andere Mediziner ihre Patienten vor dem Brustkrebsscreening warnen.

Da sei die Rede von Fließbandarbeit in den Screening-Zentren oder von Gefahren bei der Früherkennung. Sogar das Wort Körperverletzung sei schon gefallen. Diese Frauen würden dann oft in den Praxen untersucht, ohne dass – wie beim Screening im Land üblich – insgesamt drei Ärzte die Ergebnisse befunden.

Graues Screening nennen Experten diese Untersuchungen jenseits der gesetzlich vorgesehenen Zentren. In Mainz nimmt daher bis heute lediglich jede zweite Frau am Screening teil – in Berlin ist es sogar nur eine von drei Frauen. Doch das Flächenland Rheinland- Pfalz muss sich beim Screening nicht allzu große Sorgen machen.

Denn je ländlicher die Region, umso höher sind die Teilnahmequoten am Programm. So berichten die verantwortlichen Ärzte in der Region Mittelrhein, Dr. Jochen Schenk und Dr. Toni Vomweg, dass im Norden des Landes zum Teil 80 Prozent der eingeladenen Frauen am Screening teilnehmen. Denn in vielen Dörfern macht mittlerweile der Screening- Bus Station, den die Ärzte seit 2010 einsetzen. Hinzu kommt, sagt Rink, dass die Ärztedichte hier deutlich geringer ist – das graue Screening ist also weniger verbreitet. Und unter den Frauen im Land dürfte sich herumgesprochen haben, dass ein Gang zum Screening nur in seltenen Fällen zu einem zweiten Termin führt.

So gab es in der Region Mittelrhein seit 2007 176 519 Erstuntersuchungen, nur 5185 Frauen mussten nach einem auffälligen Befund erneut zu den Ärzten kommen. Gefunden wurden letztlich 1430 Karzinome – und nur knapp 19 Prozent von ihnen waren größer als zwei Zentimeter. Die Zahl der Brustentfernungen wie bei Angelina Jolie dürfte verschwindend gering gewesen sein.

Von unserem Redakteur Christian Kunst