Mainz

Konflikte in Istanbul beunruhigen Türken in Rheinland-Pfalz

Auch in rheinland-pfälzischen Städten - wie hier in Mainz - finden Kundgebungen gegen den Politikstil des türkischen Regierungschefs Recec Tayip Erdogan statt. 
Auch in rheinland-pfälzischen Städten - wie hier in Mainz - finden Kundgebungen gegen den Politikstil des türkischen Regierungschefs Recec Tayip Erdogan statt.  Foto: Banu Güdenoglu Ugurlu

Die teils niedergeknüppelten Proteste in der Türkei gegen die Regierung schlagen auch nach Rheinland-Pfalz durch. Rund 120 000 Türken leben hier. Viele kleben am Fernseher oder Computer.

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Sie verfolgen die Demonstrationen gegen den autoritären Kurs von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und reden sich die Köpfe heiß. „Es gibt auch hier zwei Lager“, sagt der Vizevorsitzende der Türkischen Gemeinde Rheinland-Pfalz, Mustafa Cimsit.

Solidaritätsdemos in Mainz und Bad Kreuznach

Modernisierer stehen Erdogan-Anhängern gegenüber. Auch Solidaritätsdemos hat es hier zugunsten der Proteste gegeben, etwa in Mainz – wie auch in diesem Fotoalbum bei Facebook zu sehen ist – und Bad Kreuznach.

Erdogan schlägt nun ein Referendum über das umstrittene Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park vor. An dem Projekt hatten sich vor zwei Wochen die Proteste entzündet. Cimsit spricht von einem guten Entgegenkommen des islamisch-konservativen Regierungschefs. Er fügt aber hinzu: „Damit ist nicht alles abgegolten. Die Politik muss die Türkei weiter öffnen und die Reformen vorantreiben.“ Er hoffe, dass es nicht zu weiterer Gewalt komme, sagt Cimsit, der auch Vorsitzender des Landesverbands der Muslime, Schura Rheinland-Pfalz, ist. „Aber auszuschließen ist es nicht.“ Es gehe um Grundkonflikte.

Tatsächlich hat Erdogan noch längst nicht die Samthandschuhe angezogen. Am Donnerstag zitieren ihn türkische Medien mit einer „letzten Warnung“ an die Demonstranten zum Räumen des Protestlagers im Gezi-Park. „Verschwindet und lasst uns gegen die illegalen Organisationen vorgehen.“ Zuvor hat es bereits Ankündigungen gegeben, die Polizei werde das Lager nicht mehr lange dulden.

Auch in Rheinland-Pfalz gibt es zwei Lager in der türkischen Gemeinde

Der Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft Mainz, Horst Borchert, sagt: „Es gibt viele starke Kräfte in der Türkei, die gegeneinander wirken. Für Erdogan ist es sicher schwer, sie zu befrieden.“ Der promovierte Physiker, der nach eigenen Worten in den achtziger Jahren als Regierungsberater für Luftreinhaltung und Umweltschutz in der Türkei gewirkt hat, glaubt, „dass Erdogan zu sehr die religiöse Seite betont hat. Da muss man sehen, wie man ihn mit demokratischen Mitteln auf den richtigen Weg zurückführt.“

Ein Ludwigshafener Mitglied des bundesweiten Dachverbandes für türkisch-islamische Moscheegemeinden (Ditib) wähnt jahrzehntealte Konflikte hinter den Protesten. Der Mann, der seinen Namen nicht nennt, sieht sich auf Erdogans Seite. „Es ist nicht nur die türkische Jugend alleine, die demonstriert. Dahinter stehen auch sehr linke und ausländische Kräfte.“ Der Dachverband Ditib wird vom staatlichen Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei kontrolliert.

Ganz anders ist die Sicht einer jungen türkischen Friseurin in Mainz: „Ich finde es schlimm, wie brutal Erdogan mit seinen Bürgern umgeht. Das Osmanische Reich ist doch längst untergegangen – wir leben im 21. Jahrhundert!“ Die Türkei müsse mehr Freiheiten gewähren. „Die deutsche Regierung ist toleranter als die türkische Regierung gegenüber den Türken.“ Sie hoffe, dass die Türkei nicht in einen Bürgerkrieg gerate, sagt die Frau, die ihren Namen ebenfalls nicht in den Medien lesen will. „Dabei ist es so ein schönes Land.“

Cimsit und Borchert betonen beide, dass die Ereignisse aus der Ferne schwer zu beurteilen seien. „Der Teufel steckt im Detail“, sagt der Schura-Vorsitzende. Vielleicht werde auch Manches medial aufgebauscht. Dabei hätten die Türken hier schon eine doppelte Sicht: „Wir können das zweisprachig verfolgen, mit einer Innensicht im türkischen Fernsehen und einer Außensicht im deutschen Fernsehen.“