Finanzausgleich: Umstrittener „Verschiebebahnhof“

Berlin. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen machen erneut Front gegen den Finanzausgleich. Die drei größten „Geberländer“ in dieser Umverteilungsmaschinerie, die selbst neue Schulden machen, wollen nicht mehr die „Zahlmeister der Nation“ sein. Sie wollen nicht weiter hinnehmen, dass finanzschwache „Nehmerländer“ mit dem Geld „Wohltaten“ oder „Bonbons“ verteilen wie beitragsfreie Kindergartenjahre oder das gebührenfreie Studium.

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Berlin – Bayern, Baden-Württemberg und Hessen machen erneut Front gegen den Finanzausgleich. Die drei größten „Geberländer“ in dieser Umverteilungsmaschinerie, die selbst neue Schulden machen, wollen nicht mehr die „Zahlmeister der Nation“ sein. Sie wollen nicht weiter hinnehmen, dass finanzschwache „Nehmerländer“ mit dem Geld „Wohltaten“ oder „Bonbons“ verteilen wie beitragsfreie Kindergartenjahre oder das gebührenfreie Studium.

Was bedeutet der Finanzausgleich?

Die Grundidee klingt einfach und fair: Die Starken helfen den Schwachen. Denn jedes der 16 Bundesländer hat aufgrund seiner wirtschaftlichen, geografischen und regionalen Besonderheiten unterschiedlich hohe Einnahmen. Hauptziel ist laut Grundgesetz die „Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse“. So regelt der Finanzausgleich seit Jahrzehnten die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Und wie funktioniert diese Umverteilungsmaschinerie?

Zunächst werden die Steuereinnahmen verteilt – jeder Gebietskörperschaft steht ein Teil des Steuerkuchens zu. In der ersten Stufe bekommen die „armen“ Länder etwas aus dem Topf mit den Umsatzsteuereinnahmen. Stufe zwei ist der Länderfinanzausgleich im engeren Sinn: Hier gleichen die starken Länder Einnahmeunterschiede aus. Schließlich beteiligt sich der Bund mit Zuweisungen.

Wer ist „Geber“ und wer „Nehmer“?

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 6,98 Milliarden Euro unter den Ländern umverteilt. Das Geld kam vor allem aus Bayern (3,49 Milliarden), Hessen (1,74 Milliarden) und Baden-Württemberg (1,69 Milliarden). Die wohlhabende Hansestadt Hamburg steuerte noch 62,04 Millionen Euro bei. Das einstige Hauptzahlland Nordrhein-Westfalen ist inzwischen Empfänger. Es standen 2010 also vier „Geberländer“ zwölf „Nehmerländern“ gegenüber. Das mit Abstand meiste Geld erhielt auch im vergangenen Jahr Berlin mit 2,88 Milliarden Euro. Lediglich Baden-Württemberg ist durchweg „Geberland“. Bayern hingegen erhielt wegen seiner früheren Wirtschaftsschwäche noch bis 1986 selbst Geld.

Wo liegt das Problem?

Problematisch ist das Transfersystem weniger wegen der Höhe der Zahlungen, sondern wegen der extrem hohen Abschöpfung von zusätzlichen Steuereinnahmen bei den Ländern: Steigen die eigenen Einnahmen, führt das fast im gleichen Ausmaß zu fallenden Transferansprüchen und umgekehrt. Ein Dorn im Auge der Kritiker sind auch die „Privilegien“ der Stadtstaaten: Jeder Bremer, Hamburger und Berliner zählt beim Finanzausgleich das 1,35fache eines normalen Bundesbürgers, um Sonderbelastungen einer Großstadt auszugleichen.

Was ist die Folge des Systems?

Einfach gesagt: Nimmt ein „Geberland“ mehr Steuern ein, muss es einen Großteil davon an den Finanztopf zahlen. Ein „Nehmerland“ wiederum würde weniger aus dem Ausgleich erhalten, wenn sein Steueraufkommen steigt. Damit fehlt sowohl finanzschwachen als auch -starken Ländern ein Anreiz, die Steuereinnahmen zu erhöhen.

Warum kommt die Debatte erneut hoch?

Abseits der üblichen Polemik und bevorstehenden Wahlkämpfe haben die „Geber“ auch reichlich Probleme. Bayern und Baden-Württemberg etwa müssen Milliarden-Lasten schultern wegen des Missmanagements in ihren Landesbanken. Dann legen die schwarz-gelb regierten „Geber“-Länder Sparhaushalte auf, um die eigene Neuverschuldung zu drücken.

Gab es schon Klagen?

Ja. Zuletzt hatten die „Geber“ 1999 in Karlsruhe einen Teilerfolg errungen: Seit 2005 gelten stärkere Leistungsanreize. Die erhoffte Wirkung blieb aber weitgehend aus.

Wie stehen die Chancen für eine Reform?

Eine Konstellation von zwölf Empfängern gegen vier Zahler macht eine Reform schwierig. Änderungen wird es aber geben müssen. Denn das jetzige Umverteilungssystem läuft 2019 aus. Dann ist auch Schluss mit dem Solidarpakt II für den Aufbau Ost. Hinzu kommt die schärfere Schuldenbremse im Grundgesetz: Spätestens von 2020 an dürfen Länder in Normal-Zeiten keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Klagedrohungen und Gutachten sind auch Druckmittel für die 2012 oder 2013 anstehenden Verhandlungen über den neuen Ausgleich. dpa