Berlin

Ewiger Buhmann – Deutschland sieht sich zu Unrecht am Pranger

Schlimmer kann ein deutscher Regierungschef nicht verunglimpft werden. Seit Monaten wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Euro-Krisenländern mit Hitler-Bärtchen oder Nazi-Uniform gezeigt.
Schlimmer kann ein deutscher Regierungschef nicht verunglimpft werden. Seit Monaten wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Euro-Krisenländern mit Hitler-Bärtchen oder Nazi-Uniform gezeigt. Foto: DPA

Schlimmer kann ein deutscherRegierungschef nicht verunglimpft werden. Seit Monaten wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Euro-Krisenländern wie Griechenland, Portugal oder Zypern mit Hitler-Bärtchen oder Nazi-Uniform gezeigt. Sie wird zum Buhmann – besser zur Buhfrau – in Europa gemacht, weil sie am deutlichsten Einsparungen fordert.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Berlin (dpa) – Schlimmer kann ein deutscher Regierungschef nicht verunglimpft werden. Seit Monaten wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Euro-Krisenländern wie Griechenland, Portugal oder Zypern mit Hitler-Bärtchen oder Nazi-Uniform gezeigt. Sie wird zum Buhmann – besser zur Buhfrau – in Europa gemacht, weil sie am deutlichsten Einsparungen fordert.

Sie selbst sagt zu solchen Schmähungen, Menschen sollten ihre Meinung frei äußern. Sie verweist dabei häufig auf ihr Leben in der DDR, wo das nicht möglich war.

Man hat nicht den Eindruck, dass sich die Kanzlerin den Vergleich mit den Nazis wirklich zu Herzen nimmt. Diese brachten Leid und Tod über viele Millionen Menschen. Es gibt nichts Vergleichbares. Und jeder Vergleich verharmlost die Gräuel von Holocaust und Hitler-Diktatur. Das wird in Deutschland immer wieder betont – bei aller Sorge um das Ansehen Deutschlands im Ausland.

Der Vorwurf „brachialen Hegemoniestrebens“ Deutschlands ist noch eine harmlose Version. Die griechische Zeitung „Eleftherotypia“ titelte in Anlehnung an die seit Ende des Nazi-Regimes nicht mehr gesungene erste Strophe des Deutschlandliedes fett und auf Deutsch: „ÜBER ALLES“ – die deutscheDominanz gefährde die EU.

Berlin muss einmal mehr als Sündenbock für Entscheidungen von Euro-Ländern, EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds herhalten. Kein Wunder, denn in der Euro-Zone fallen große Beschlüsse kaum gegen den Willen Berlins. Schnell heißt es da, das Schicksal zyprischer Kontoinhaber sei in Berlin besiegelt worden.

Eindruck machte auch der persönliche Erfahrungsbericht von Maltas Finanzminister Edward Scicluna. Der saß in der Zypern-Krisenrunde neben demdeutschen Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU), ihm gegenüber der zyprische Kollege Michael Sarris. Scicluna fühlte sich wie auf einem „unvermeidbaren Atlantikflug, bei dem es nicht erlaubt ist, den Platz zu verlassen“. Die Zyprer hätten ausgelaugt der „Einigung“ zugestimmt, weil sie „mit der Pistole am Kopf“ natürlich ungewöhnlich kooperativ gewesen seien.

Vor zehn Jahren wurde Deutschland noch verlacht als kranker Mann. Europas größte Volkswirtschaft hatte unter der rot-grünen Regierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) gegen die Stabilitätskriterien verstoßen. Nach von Schröder eingeleiteten schmerzhaften Sozialkürzungen wurde Deutschland aber wieder Wachstumslokomotive. Der Vorwurf nun: Deutschland habe sich auf Kosten anderer saniert und Ungleichgewichte forciert – durch Lohnzurückhaltung und Exportstärke. Jetzt glänzen die Deutschen beim Defizitabbau und geben den Sparkommissar und Reformmotor.

Längst geht es nicht nur um Frontlinien zwischen Nord und Süd, Groß und Klein oder Reich und Arm. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ließ seinem Unmut freien Lauf. Er verbat sich deutsche Kritik an Geschäftsmodellen von kleinen Euro-Ländern und warnte vor verletzenden Tönen aus Berlin, wo der zyprische Bankensektor als „einfach zu groß“ bewertet wurde. Es gebe auch niemanden, der die deutscheAuto- oder die Waffenindustrie als überproportioniert bezeichne, ätzte Asselborn. Das empörte Schäuble – von vielen Partnerländern als einziger wirklich glühender Europäer der deutschen Regierung empfunden – dann doch: „Wie kommt er eigentlich dazu?“

Die Koalition in Berlin fühlt sich hängen gelassen und zu Unrecht allein an den Pranger gestellt. Dass andere Euro-Länder auf der deutschen Linie liegen, wird kaum wahrgenommen. Offen geworben wird für das Zypern-Paket nicht. Gerade Menschen in den östlichen Euro-Ländern jedoch können von den finanziellen Verhältnissen vieler Griechen und Zyprer nach wie vor nur träumen.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beklagt offen mangelnde Rückendeckung der Spitzen in Brüssel. Die sollten die Deutschen gegen ungerechtfertigte Kritik verteidigen, fordert die FDP-Politikerin. Regierungssprecher Steffen Seibert meint, Entscheidungen würden gemeinsam getroffen: „Sie sollten deswegen auch in der Öffentlichkeit von allen beteiligten Euro-Staaten und der Europäischen Kommission vertreten werden.“