Koblenz

Verein für systemische Familienhilfen feierte 20-jähriges Bestehen

Vor 20 Jahren wurde der Verein für systemische Familienhilfen (VsF) im Rhein-Lahn-Kreis gegründet.

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Heute beschäftigt der Jugendhilfeverein 20 Mitarbeiter und ist in Koblenz, den umliegenden Landkreisen sowie mehreren Kreisen in Hessen tätig. Hauptarbeitsfeld: Ambulante Erziehungshilfen.

Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens und der erfolgreichen Entwicklung hatte der Verein alle Mitarbeiter zu einer internen Fortbildung mit Alexander Korittko (unter anderem Supervisor, Lehrtherapeut und Sachbuchautor) eingeladen zu einem hochaktuellen Thema: Folgen von Traumatisierung und posttraumatischen Belastungsstörungen in Familien und deren Bedeutung für die Erziehungsberatung.

Als die jetzige Geschäftsleitung des Vereins, Ulrike Hahn und Ingeborg Müller-Fetik, 1999 ihre bis dahin freiberufliche Tätigkeit in der Jugendhilfe in einer anderen organisatorischen Form ausüben wollten und sich für einen gemeinnützigen Verein entschieden, dachte noch niemand daran, dass hieraus eine Institution entstehen könnte, die aufgrund ihrer Größe einmal eine Leitung nötig haben würde. Aber die Zeiten änderten sich schnell, der Bedarf an Jugendhilfemaßnahmen nahm und nimmt weiterhin zu, die Anzahl der Anfragen durch die Jugendämter stieg – nicht zuletzt aufgrund der Arbeitsweise und des fachlichen Ansatzes – und damit wuchs auch die Anzahl der Beschäftigten. Ausschließliches Arbeitsfeld ist die ambulante Familienhilfe.

Flyer und Internetseite beschreiben den VsF als einen gemeinnützigen Träger der freien Jugendhilfe, der systemische Arbeit mit Familien, Paaren, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in überwiegend aufsuchender Arbeit anbietet. Er ist Mitglied im Deutschen paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) und der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF). Auftraggeber aller Jugendhilfemaßnahmen sind neben dem Koblenzer Jugendamt die jeweiligen Jugendämter in den Landkreisen, die Geschäftsstelle ist seit 2011 Koblenz.

Systemisch und lösungsorientiert zu arbeiten bedeutet, alle Mitglieder der Familie, oder allgemeiner des Systems, beispielsweise eines Teams, in die Arbeit mit einzubeziehen und dabei vor allem die vorhandenen Ressourcen der Familie zu nutzen. „Viele Eltern sind im Erstgespräch völlig verzweifelt. Im Verlauf der Beratungsarbeit schöpfen sie wieder Hoffnung, wenn Schritt für Schritt Erfolgserlebnisse erkennbar werden und sich die Beziehung zwischen Eltern und Kindern wieder entspannen kann. Daraus resultieren dann zahlreiche andere Effekte: plötzlich ist ein Telefonat mit dem Klassenlehrer wieder möglich, Außenkontakte werden wieder gepflegt, Probleme mit dem Ehepartner können beim Berater angesprochen und geklärt werden. Sobald die eigene Selbstwirksamkeit den Eltern wieder bewusst wird und sie ihren Handlungsspielraum erweitert haben, geht es der ganzen Familie und vor allem den Kindern wieder besser“ meint Ingeborg Müller-Fetik.

Die Arbeit findet überwiegend aufsuchend statt – im vertrauten Lebensumfeld der jeweiligen Familie. Ergänzend stehen Beratungsräume in Koblenz zur Verfügung. In Einzelfällen werden auch geeignete Räumlichkeiten anderer Träger in Wohnortnähe der Familien genutzt.

Das Team besteht aus zurzeit 20 fest angestellten sozialpädagogischen Mitarbeitern. Die meisten haben eine mehrjährige Zusatzausbildung in Systemischer Therapie/Beratung oder Familientherapie/Beratung absolviert, einige Mitarbeiter sind noch in dieser Ausbildung. Fort- und Weiterbildungen sind für alle selbstverständlich. Zwei Mitarbeiterinnen haben die Ausbildung zur „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ (§ 8a SGB VIII) absolviert und sind damit bezüglich der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung besonders qualifiziert. Einzelne Mitarbeiter sind neben ihrer Arbeit für den VsF noch in anderen Bereichen tätig (zum Beispiel im Bereich Weiterbildung für pädagogische Fachpersonal (Kita), Supervison, Coaching, Eheberatung, Kursangebote oder Einzelberatungen für Privatpersonen oder Referententätigkeiten bei Fortbildungsinstituten).

Auf dem Hintergrund regelmäßiger Team- und Supervisionstreffen arbeiten alle Mitarbeiter „vor Ort“ selbstständig im Rahmen der mit den jeweiligen Jugendämtern vereinbarten Aufträge. Ulrike Hahn meint dazu „Gerade, wenn man im beruflichen Alltag Einzelkämpfer ist und für viele Familien und ihre teils heftigen Problemlagen nach gut funktionierenden Lösungen suchen muss, ist der Austausch mit Fachkollegen und die Supervision enorm wichtig. Ohne diesen Rückhalt ist diese Art von Arbeit nicht möglich.“

In den Teamsitzungen findet neben der Fallbearbeitung auch die Erarbeitung und Fortschreibung von Konzepten statt und es besteht die Möglichkeit, über die eigene psychische Situation zu sprechen und gemeinsam zu überlegen, wie mit den Belastungen umgegangen werden kann.

Die aktuelle Coranakrise mit den verordneten Einschränkungen bedeutet für alle Menschen eine enorme Belastung, deren Folgen noch nicht absehbar sind. „Paradox ist: Jetzt, wo eigentlich ein Mehrbedarf in den Familien an Unterstützung besteht, dürfen wir nicht vor Ort sein. Ambulante Familienhelfer, deren Arbeit eigentlich in der direkten Beziehung zur Familie geschieht, müssen nach neuen Möglichkeiten suchen, um die Familien zu beraten, zu stützen und Kinder zu schützen, damit deren Entwicklung möglichst störungsfrei und gesund möglich ist. Wir versuchen, den Kontakt zu unseren Klienten jetzt zu halten per Telefon oder mit Hilfe der neuen sozialen Medien oder einzelnen Treffen unter Einhaltung der bestehenden Auflagen.“

Neben diesen noch nie dagewesenen Herausforderungen ist auch die wirtschaftliche Existenz des Vereins derzeit in Frage gestellt. „Unsere Mitarbeiter werden nach TVöD-Tarif bezahlt“, so die beiden Geschäftsführerinnen. „Dafür benötigen wir natürlich in jedem Monat entsprechende Einnahmen. Wenn wir die nicht erarbeiten können, hat auch ein lösungsorientierter Verein wie der VsF keine gute Perspektive“.