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Oberbachheim

Charge-Syndrom: Emelys schwerer Start ins Leben

Mit einem speziellen Liegefahrrad kann Emely (15) heute sogar eigenständig Rad fahren. Rückblickend für ihre Mutter Silvia Ludwig kaum zu glauben. Nach der Geburt und der Diagnose Charge-Syndrom hatten die Ärzte prognostiziert, dass Emely später wohl niemals allein laufen kann.  Foto: Denise Bergfeld
Mit einem speziellen Liegefahrrad kann Emely (15) heute sogar eigenständig Rad fahren. Rückblickend für ihre Mutter Silvia Ludwig kaum zu glauben. Nach der Geburt und der Diagnose Charge-Syndrom hatten die Ärzte prognostiziert, dass Emely später wohl niemals allein laufen kann. Foto: Denise Bergfeld

Silvia Ludwig blättert in einem Fotoalbum. Ihre Tochter Emely sitzt ihr gegenüber am Essenstisch und schaut interessiert zu. „Mama, bin ich das?“, fragt sie. Silvia Ludwig nickt. Das Foto zeigt ein Neugeborenes auf der Intensivstation. Angeschlossen an zahlreiche medizinische Geräte. Emely ist heute 15 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Mutter in Oberbachheim im Rhein-Lahn-Kreis und hat das Charge-Syndrom. Als sich kürzlich Familien mit Charge-Kindern im Jugendgästehaus in Oberwesel getroffen haben, waren auch Emely und ihre Mutter wieder mit dabei, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Lesezeit: 6 Minuten
Am Essenstisch im Wohnzimmer erinnern sie sich an den schweren Start, den Emely vor 15 Jahren ins Leben hatte. Die Schwangerschaft verlief relativ unauffällig. Eine Nackenfaltenmessung ergab zwar einen Verdacht auf Trisomie 21, der sich aber nach einer Chorionzottenbiopsie nicht bestätigte. „Wir wussten ab dem Zeitpunkt aber, dass wir eine ...
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Seltene Krankheit: Gemeinsam wollen sie stark sein

Oberwesel. Das Jugendgästehaus in Oberwesel wurde Ende Juni wieder zum Treffpunkt für Charge-Betroffene und ihre Familien. Der Verein Charge-Syndrom mit Sitz in Mittelfranken hatte zur 12. Charge-Konferenz eingeladen. Auf dem Programm stand neben den Vorträgen internationaler Experten vor allem auch der Austausch mit anderen Betroffenen und Gleichgesinnten. Und diese waren zahlreich gekommen: Aus dem gesamten Bundesgebiet, der Schweiz, Luxemburg, Österreich, den Niederlanden und Frankreich waren die Teilnehmer angereist.

Die Familien waren vor allem gespannt auf die Vorträge von Dr. David Brown und Prof. Dr. Tim Hartshorne, die beide aus den USA eingeflogen waren, um über das Verhalten und die Wahrnehmung von Menschen mit dem Charge-Syndrom zu referieren. Hartshorne gab außerdem in einem separaten Vortrag „Fünf Tipps für neue und erfahrene Eltern“.

Rob Last aus Australien sprach über „Freundschaften, Dazugehörigkeit und Beziehungen“. Über das Verhalten von Kindern mit dem Charge-Syndrom im Klassenzimmer referierte Gail Deuce aus England. In einem Gesprächskreis mit einer kleineren Zahl von Familien, die relativ neu mit der Diagnose konfrontiert wurden, beantworteten Dr. David Brown, Rob Last und Prof. Conny van Ravenswaaij (Niederlande) die wichtigsten Fragen. Für alle Familien waren die Vorträge und Gespräche mit den internationalen Experten sehr wichtig, da viele Informationen in Deutschland nur schwer zugänglich sind. Zum Thema Pflegestärkungsgesetz gab es außerdem noch einen Vortrag von Christian Winter aus Heidelberg.

Begeistert wurde der Vortrag von vier Jugendlichen mit dem Charge-Syndrom aufgenommen. Sie erzählten aus ihrem Leben und von ihrem Alltag und beantworteten souverän Fragen aus dem Pu-blikum. Zudem hatten sie mit einer Betreuerin ein Stand-up-Theaterstück eingeübt, das am Sonntagmorgen vorgeführt wurde, und das viel Beifall erhielt. Alle englischen Vorträge wurden simultan ins Deutsche übersetzt, auch bei den über das ganze Wochenende möglichen Einzelgesprächen der Referenten mit den Familien waren immer Dolmetscher anwesend, um die Kommunikation zu erleichtern. Für gehörlose Teilnehmer standen während des gesamten Wochenendes Gebärdendolmetscher zur Verfügung.

Auf dem Gelände des Jugendgästehauses konnten sich die 59 Kinder mit Charge-Syndrom und ihre Geschwister frei bewegen, eine Kinderbetreuung mit zahlreichen Helfern, von denen auch zwölf die Gebärdensprache beherrschten, bot viel Spaß und Freude. Es gab Bastelaktionen und Spielen, unter anderem auch im Außenbereich mit einer Goldwaschstation und Fußballturnieren. Zudem konnten die Kinder Erste-Hilfe-Kurse und Schwimmkurse besuchen. Auf die Belange der Jugendlichen mit Charge wurde separat eingegangen, sie hatten ein eigenes Programm mit Gesprächskreisen und Erste-Hilfe-Kursen.

Vor der Charge-Konferenz fand zum dritten Mal auch eine Fachkräftetagung zum Thema statt. 85 Fachkräfte aus dem therapeutischen, pädagogischen und medizinischen Bereich aus Deutschland, Luxemburg, Österreich, der Schweiz, Dänemark und den Niederlanden konnten sich umfassend bei Vorträgen der Experten über Charge informieren. Interessant und eindrucksvoll für die Fachkräfte war vor allem auch ein Interview mit zwei Müttern, die über ihr Leben mit ihren Kindern mit Charge-Syndrom erzählten. Sie gaben Einblicke in ihren Alltag und in ihre Gefühlswelt.

Der Verein zeigte sich mehr als zufrieden und hat für 2020 wieder Oberwesel als Veranstaltungsort für die 14. Konferenz gebucht.

Hilfe für Betroffene

Emskirchen. Der Verein Charge-Syndrom – Elternkreis betroffener Kinder wurde vor zwölf Jahren geründet und hat heute mehr als 270 Mitglieder. Er versteht sich als gemeinnützige Selbsthilfevereinigung zur Unterstützung von Betroffenen und deren Familien im deutschsprachigen Raum. Er informiert und berät, möchte die Inte-gration und Elterngesprächskreise fördern, sammelt Informationen mit dem Ziel, das Leben der Familien zu erleichtern, fördert den Erfahrungsaustausch untereinander und mit nationalen und internationalen Organisationen. Der Verein vertritt die Anliegen der Betroffenen in der Öffentlichkeit, informiert die Ärzteschaft und unterstützt Wissenschaft und Forschung. Er hat seinen Sitz in Emskirchen und organisiert in regelmäßigen Abständen Charge-Konferenzen mit Expertenvorträgen, die alle zwei Jahre in Oberwesel in der Rheintal-Jugendherberge stattfinden. Er finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden.

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