Über die Herkunft der Nachbarschaften gibt es verschiedene Theorien. Sie alle besagen mehr oder weniger deutlich, dass die Nachbarschaften ein Abbild früherer Verwaltungseinheiten sind und wohl bis in die frühmittelalterliche Zeit zurückreichen.
Organisierte Nachbarschaften werden allgemein im späten 17. Jahrhundert, also nach der Notzeit des Dreißigjährigen Krieges – durch ihre Nachbarschaftsbücher bekannt. In der Zeit der beiden Weltkriege und noch Jahre danach ruhten die Tätigkeiten oft.
Nachbarschaften sind ursprünglich Zusammenschlüsse der Bewohner eines Straßenzuges zur gegenseitigen Hilfeleistung in Notfällen. Ursprünglich gehörten zu einer Nachbarschaft nur die sesshaften Haushaltungsvorstände, das heißt die hausbesitzenden Männer und in ihrem Todesfalle die Witwen. Etwa nach 1930 wird die Mitgliedschaft auf alle im Bereich der Nachbarschaft wohnenden Männer und Frauen ausgedehnt.
Die Nachbarschaftsvorstände, die so genannte „Obrigkeit“, setzen sich aus dem Amtmann, dem Schultheiß, zwei bis drei Schöffen, dem Gerichtsschreiber und dem Nachbarschaftsdiener zusammen. Diese Obrigkeit wurde ursprünglich auf Lebenszeit gewählt, ausgenommen der Diener. Dazu wurde der zuletzt eingetretene Nachbar bestimmt. Der Eintritt erfolgte durch Anmeldung. Aufgaben des Amtmannes sind die Einberufung der Nachbarobrigkeit zu Sitzungen, die Einberufung der jährlichen Versammlung und die Bestimmung der Sargträger im Todesfalle. Früher hatte er sicher auch beschränkte polizeiliche Gewalt, um den Frieden innerhalb der Mitglieder zu wahren. Aufgabe des Nachbardieners war es unter anderem die Nachbarn zur Versammlung einzuladen, die ursprünglich jährlich am Aschermittwoch stattfand. Der Nachbar, in dessen Haus die Versammlung stattfinden sollte, hatte für Heizung, Beleuchtung, Tische und Stühle zu sorgen, während die Nachbarn ihre Maß Wein und Brezeln mitbringen mussten.
Hilfe im Todesfall war ursprünglich nur eine von vielen ebenso wichtigen Aufgaben. In einer Zeit, in der das Feueranzünden mit Feuerstein und Schwamm eine beschwerliche Sache war, und in der das offene Herdfeuer in den engen Gässchen mit den strohgedeckten Fachwerkhäuschen in Leutesdorf eine Gefahrenquelle darstellte, waren die Bestimmungen über Feuerhüten und –holen wichtige Punkte der Statuten. Neben dem Brandschutz war die Überwachung der Brunnen, die in vielen Nachbarschaften existierten, bedeutend. Diese durften keine Quelle von Krankheitserregern werden. Auch die Straßenreinigung ist in den älteren Statuten angesprochen. Heute ist oft die Schmückung des Fronleichnamsaltares und bei Festen wie Silberhochzeiten die Schmückung des entsprechenden Hauses festgelegt. In allen Statuten ist zudem noch die Hilfe im Krankheits- und Todesfall erwähnt. Werner Schönhofen