RZ-Serie Unser Fleisch, Teil 4 – Was unsere Nutztiere fressen

Dioxin in Hühnereiern, Antibiotika im Putenfleisch, mit Schimmelpilzgift belastete Innereien – viele Lebensmittelskandale haben ihren Ursprung bei dem, was unsere Nutztiere fressen. Rinder, Schweine und Hühner bekommen eben nicht nur Wasser, Getreide und Gras. Aber was landet eigentlich im Trog? Laut dem Deutschen Verband Tiernahrung (DVT), der nach eigenen Angaben drei Viertel der deutschen Futtermittelproduzenten vertritt, fressen unsere Nutztiere täglich 8900 Lkw-Ladungen Futter.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Das entspricht ungefähr 224 000 Tonnen. Übers Jahr gerechnet, werden daraus 82 Millionen Tonnen. Den überwiegenden Teil (53 Prozent) machen Grünfuttermittel wie Gras oder Mais aus, die durch Milchsäuregärung haltbar gemacht werden. Viele Bauern stellen dieses Grundfutter, die sogenannte Silage, noch selbst her oder verfüttern hofeigenes Getreide.

Vor allem, um die Eiweißversorgung der Tiere sicherzustellen, kaufen Landwirte aber auch Einzelfuttermittel wie Soja oder Raps zu. Und: Bei 25 Prozent des Futters, das in den Trögen deutscher Bauernhöfe landet, handelt es sich um Misch- oder Kraftfutter.

Was der Mensch übrig lässt

Spätestens hier kommt die Industrie ins Spiel – und es wird deutlich, dass die Tierfutterproduktion immer auch Resteverwertung bedeutet. Was beim Bierbrauen, bei der Brotherstellung oder beim Ölpressen übrig bleibt, verfüttert der Mensch an seine Nutztiere. Das war schon immer so, sagt der Tierernährungsexperte Professor Josef Kamphues von der Tierärztlichen Hochschule Hannover: „Seit dem Altertum bekommen Tiere das zu fressen, was der Mensch nicht verwerten kann.“

Indem die Tierfutterhersteller Nebenprodukte der Industrie mit natürlichen Zutaten vermengen, schonen sie Ressourcen, erklärt der Experte. Ein typisches Mischfutter besteht im Durchschnitt aus acht bis zwölf verschiedenen Einzelfuttermitteln. Die wichtigsten sind Getreidearten wie Weizen, Gerste und Mais, gefolgt von der Gruppe der Ölkuchen und -schrote (Soja, Raps). Hinzu kommen Fette. Sie sind nicht nur als Energieträger wichtig.

Fette beeinflussen auch die Bearbeitungseigenschaften anderer Futterbestandteile, binden etwa Getreidestaub und erleichtern so die Herstellung von Pellets. Etwa die Hälfte dieser Einzelfuttermittel stammt aus der Ernährungsindustrie und fällt als Nebenprodukt zum Beispiel in Mehl- oder Ölmühlen, Zuckerfabriken, beim Herstellen von Alkohol oder in Molkereien an. Problematisch ist das nicht, sagt Kamphues, „solange kein Schmu betrieben wird“. Wie zum Beispiel 2011, als das schleswig-holsteinische Unternehmen Harles und Jentzsch dioxinbelastetes Fett aus der Biodieselproduktion an mehrere Futterhersteller lieferte.

Dem Mischfutter ganz legal zugesetzt werden Zusatzstoffe wie Vitamine, Aminosäuren, Spurenelemente oder Enzyme. Ihr Einsatz erfordert Fachwissen, sagt Kamphues und nennt als Beispiel das Spurenelement Selen. Unter anderem für den Stoffwechsel der Tiere ist das toxische Element essenziell. Aber nur in ganz kleinen Mengen. „Wer sich verrechnet, macht die Tiere krank.“ Auch Farb- und Konservierungsstoffe sind erlaubt. Was genau die Tiere zu fressen bekommen, hängt von Alter, Art und Nutzung ab.

Wiederkäuer wie Rinder können durch Bakterien im Vormagen Nahrungsmittel aufschließen, die andere Tiere nicht verwerten können. Sie bekommen daher viel Mais- oder Grassilage und – je nachdem, ob sie geschlachtet werden sollen oder Milch produzieren – 20 bis 50 Prozent Mischfutter.Bei Schweinen und Hühnern sind bis zu 98 Prozent der Ernährung Misch- und Kraftfutter. Kennzeichnung: Umfassend genug?

Bleibt die Frage, wie ein Bauer denn erkennen kann, was drin ist in dem Mischfutter, das er seinen Tieren gibt. Der DVT verweist auf „die umfangreiche Kennzeichnungspflicht“ der Hersteller. Sie müssen Zusammensetzung, Inhaltsstoffe wie Eiweiß oder Fett und Zusatzstoffe wie Vitamine oder Aminosären angeben. Bei loser Ware stehen die Informationen auf dem Lieferschein, bei verpackter Ware direkt auf der Packung.

Die Herkunft einzelner Komponenten müssen die Hersteller allerdings nicht dokumentieren. Wie der Verbraucher bei einer Fertiglasagne also nicht erfährt, ob das Fleisch aus Frankreich oder Rumänien kommt, erfährt der Bauer nicht, ob der Mais in seinem Mischfutter aus Deutschland oder Serbien stammt. Letztlich ist er darauf angewiesen, dass die Industrie ihm einwandfreie Ware liefert.

Von unserer Redakteurin Angela Kauer