Berlin

Porträt über Gerhard Schindler: Geheimdienstchef mit der Lizenz zum Reformieren

Gerhard Schindler muss sich etwas Humor und Selbstironie erhalten haben. Wenn der BND-Präsident in seinem Berliner Büro im dritten Stock des Lage- und Informationszentrums am Schreibtisch arbeitet, sitzt ihm eine Karikatur quasi im Nacken. „Gar nicht so unfähig, wie alle denken“, hat das Satiremagazin „Titanic“ auf ein im blau-weißen Farbton des Bundesnachrichtendienstes gehaltenes Poster getextet, das hinter ihm an der Wand hängt. „Ihr freundlicher kleiner Nachrichtendienst – pfiffig, diskret, nur gute Nachrichten.“

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Kurz nachdem Edward Snowden 2013 die weltumspannende Datenschnüffelei seines Ex-Arbeitgebers National Security Agency enthüllt und so die NSA-Affäre ausgelöst hatte, warben die Satiriker für eine „Datenspende“ zugunsten des BND. „Damit unser Geheimdienst im internationalen Vergleich nicht dumm dasteht“, begründete „Titanic“ die Aktion. Schindler fand das lustig, 50 Euro Copyright hat er dem Magazin gezahlt, damit er das Poster aufhängen darf.

Die Enthüllungen Snowdens 2013 waren nur der Auftakt zu einer Affäre, die bald auch den BND und Schindler erfasst hatte. Die Kontakte des BND zum Datenkraken NSA beschäftigen einen Untersuchungsausschuss des Bundestages. Auch der BND-Präsident musste als Zeuge aussagen. Nach den Angaben von Teilnehmern soll Schindler zwar meist geduldig und höflich geblieben sein – genervt hat ihn die Affäre trotzdem mächtig.

Schindler entschied sich zur Vorwärtsverteidigung. Er beendete umstrittene Abhörpraktiken, räumte Versäumnisse bei der internen Kontrolle ein und plädiert öffentlich für eine Reform des BND-Gesetzes. Damit wollen Regierung und Parlament seinen Dienst an eine kürzere Leine nehmen. Dass die NSA-Affäre den BND-Chef viel Kraft gekostet hat, spüren sie aber auch, wenn er mal wieder vor dem parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste Rede und Antwort stehen muss. „Das macht einen mürbe“, sagte einer, der Schindler lange kennt.

Zwar geht der drahtige Oberleutnant der Reserve und ehemalige Fallschirmjäger auch heute noch zum Ausgleich gegen den Stress gern joggen. Doch für die eigene Gesundheit musste sich der Vater einer Tochter vornehmen, sich nicht mehr wie früher über jede Kleinigkeit aufzuregen. Dass der 63-Jährige doch noch über die NSA-Affäre oder die Enthüllungen um die BND-eigenen Abhöraktionen stolpert, ist eher unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Dass der Mann von sich aus hinschmeißt, gilt als wenig wahrscheinlich – dafür soll sein Pflichtbewusstsein zu ausgeprägt sein.

Im Januar 2012 war Schindler nach einer kurzen Zeit als Polizeibeamter beim Bundesgrenzschutz, als Abteilungsleiter Observation beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Leitungsposten im Innenministerium mit dem Ziel und Auftrag beim BND angetreten, seine Spione risikofreudiger zu machen. „No risk, no fun“, gab der Präsident ihnen mit auf den Weg.

Zwar besitzt Schindler ein FDP-Parteibuch, doch in Sicherheitsfragen ist er auf Linie der Union. Im BND selbst, erzählen einige, habe die hemdsärmelige Art Schindlers manche Mitarbeiter anfangs irritiert. Mittlerweile habe er auch viele Fans im Dienst, sagt einer, der Schindlers Karriere seit Jahren begleitet. Dazu könnte auch geführt haben, dass er den oft skandalumtobten BND zu einem modernen Dienstleister umbauen will. Tausendsassas wie James Bond mag er als Vorbild nicht – sie zeigten nur Fantasiebilder des Agentenlebens.

Gegen Terror: Geheimdienste müssen zusammenarbeiten

BND-Präsident Gerhard Schindler hat angesichts wachsender Terrorgefahr und sich zuspitzender internationaler Krisen eine engere Zusammenarbeit mit europäischen und amerikanischen Geheimdiensten gefordert. „Je komplexer die Welt wird und je schwieriger die einzelnen Krisenherde werden, desto wichtiger es ist, dass man international zusammenarbeitet“, sagte Schindler in Berlin. Auch zur engen Zusammenarbeit mit dem wegen der NSA-Affäre um weltweite Datenschnüffelei umstrittenen US-Geheimdienst National Security Agency sieht Schindler in diesem Zusammenhang keine Alternative: „Die Amerikaner sind unser wichtigster Partner. Und mit diesem wichtigsten Partner arbeiten wir nach wie vor vertrauensvoll und gut zusammen.“ Er ergänzte: „Kein Nachrichtendienst – auch nicht die ganz großen – kann die gesamte Welt allein für sich aufklären. Man braucht regionale Partner.“