Koblenz

Joachim Gauck in Koblenz: Vom Rücktritt Wulffs erfuhr er übers Handy einer Schülerin (mit Video)

Am Tag des Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff in Koblenz: Joachim Gauck - ein möglicher Kandidat für die Nachfolge.
Am Tag des Rücktritts von Bundespräsident Christian Wulff in Koblenz: Joachim Gauck - ein möglicher Kandidat für die Nachfolge. Foto: Sascha Ditscher

Es gibt einen Moment an diesem Abend, da rumort es sichtlich in Joachim Gauck. Gerade hat ihn eine Journalistin am Seiteneingang des Koblenzer Theaters gefragt, ob der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ein schlechter Tag für die Demokratie sei.

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Quälende Sekunden vergehen, in denen man dem früheren Beauftragten für die Stasiunterlagen ansieht, wie gern er sein Schweigen zum Fall Wulff brechen würde. Doch dann reißt er sich wieder zusammen und sagt: „Ich bleibe mal bei meiner Variante, das nicht zu kommentieren. Gauck sagt nach wie vor nichts.“

Kurz zuvor hat sich der von SPD und Grünen favorisierte Bundespräsidentenkandidat aber doch etwas zum Rücktritt Wulffs entlocken lassen. Allerdings spricht er dabei von sich wieder meist nur in der dritten Person: „Das kann einen Bürger ja nicht erfreuen, was wir erleben. Einige haben vielleicht positive Gefühle. Ich bin betrübt.“ Erfahren hat er von dem Rücktritt, erzählt Gauck, als er am Vormittag als Zeitzeuge vor 300 Schülern auftrat. „Wir sprachen über 1989, die Demokratie und die Freiheit. Plötzlich meldete sich eine junge Frau. Sie hatte auf ihrem Handy gerade eine Botschaft bekommen. So habe ich es erfahren. Und ich musste dann gleich weiter über das Thema Bürger sein oder nicht sein reden. Das hat mich abgelenkt.“

Die Koblenzer erfahren viel über den Menschen Gauck

Wenig später nimmt der 72-Jährige auf einem Stuhl auf der Theaterbühne Platz, der aussieht wie ein kleiner Thron. Auch hier bleibt er souverän. Mehrfach betont er mit freundlicher Stimme, dass er nur aus seinem Buch „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ vorlesen will. Doch das allein reicht ihm als Bewerbung für das höchste Amt im Staate.

Gauck präsentiert sich nicht nur als Botschafter der Ostdeutschen und als jemand, der eint: „Wenn Sie hier wieder rausgehen, dann sind Sie den Menschen im Osten näher – und einer Lebenswelt, die ganz anders war als die Ihrige.“ Vor allem erfahren die Koblenzer viel über den Menschen Gauck, der aus einer Seemannsfamilie kommt: Auch 2010, als er für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, „bin ich auf dem Boden geblieben, ich hatte es nicht nötig abzuheben, weil ich bei mir war“.

Die Arbeit an seinem Buch, in dem er seine „auch tief traurigen“ Erfahrungen in der DDR verarbeitet, habe ihm das möglich gemacht. Bodenständig, souverän, klug, charmant, unprätentiös, zurückhaltend – es scheint, dass Gauck das exakte Gegenteil von Wulff ist. Doch das sagt einer wie Gauck nicht. Er lässt es die Menschen spüren.

[Update] im Video äußerte sich Gauck ausführlicher. „Am Wochenende finden die irgendjemanden, und dann gibt sich das langsam“, sagte Gauck der RZ im Video.

Von unserem Redakteur Christian Kunst und
unserer Multimedia-Redakteurin Anna Lampert