Brüssel

Spannungen zwischen Schweiz und EU: Brüssel verstärkt den Druck auf die Schweiz

schweiz Foto: dpa

Die Spannungen zwischen der Schweiz und der EU verschärfen sich. Am Wochenende hatte Berns Außenministerin Simonetta Sommaruga ein Abkommen mit Kroatien auf Eis gelegt, das dem Land nach spätestens zehn Jahren die unbegrenzte Zuwanderung eingeräumt hätte.

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Von unserem Brüsseler Korrespondenten Detlef Drewes

Nur wenige Stunden später revanchierte sich die EU: Mit sofortiger Wirkung wurden die Verhandlungen über eine Beteiligung der Schweiz am Studentenaustauschprogramm „Erasmus+“ sowie am Forschungsschwerpunkt „Horizon 2020“ ausgesetzt. Sollte es dabei bleiben, würden den Eidgenossen EU-Gelder in Höhe von mehreren Milliarden Euro entgehen.

Im Gegensatz zu anderen Etats war der „Horizon“-Schwerpunkt von Brüssel aufgestockt worden. Die Schweiz hatte als Standort mehrerer internationaler wissenschaftlicher Zentren darauf gehofft, daran teilnehmen zu können. „Der Schritt dahin ist einfach“, betonte ein Kommissionssprecher am Montag. „Sobald die Regierung das Protokoll mit Zagreb unterzeichnet, können wir auch wieder über die offenstehende Vorhaben im Bereich Wissenschaft und Forschung reden.“

Der Guillotine-Effekt

Die Reaktion der EU mag nach billiger Rache aussehen, tatsächlich aber bewegen sich die Schritte im strikten Rahmen dessen, was man im Vorfeld der Volksabstimmung bei den Eidgenossen angekündigt hatte: „Wer keine Zusammenarbeit will, wird auch keine bekommen“, hieß es am Montag noch einmal aus der Kommission. „Wenn Bern Verträge aufkündigt, entzieht man die Grundlage für weitere Gespräche.“

Brüssel machte ernst und stoppte inzwischen auch Verhandlungen über ein Stromabkommen. Die Linie ist deutlich: Mit der Ablehnung der Personenfreizügigkeit haben die Schweizer auch alle anderen, damit untrennbar verbundenen Vereinbarungen aufgekündigt („Guillotine-Effekt“). Dennoch hatte wohl die Mehrzahl derer, die beim Volksentscheid in dem Alpenland mit Ja stimmten, nicht mit einer solch scharfen und schnellen Reaktion Brüssels gerechnet. Dabei betont Kommissionspräsident José Manuel Barroso schon seit November, was er am vergangenen Donnerstag nur wiederholte: „Man sollte sich keine Illusionen machen: Wir werden nicht über den Grundsatz der Freizügigkeit verhandeln.“ Er lehne „Bastelei an den Verträgen“ ab.

Eine weitere Volksabstimmung?

Inzwischen haben nicht nur das Europäische Parlament, sondern auch nahezu alle Mitgliedsstaaten Rückendeckung signalisiert. Deutlichstes Zeichen: Neben den genannten Abkommen wurde auch ein anderes wichtiges Verfahren erst einmal auf Eis gelegt. EU und Schweiz wollten sich nämlich auf Mechanismen zur künftigen Streitbeilegung verständigen.

Dazu braucht die EU-Kommission ein Mandat der Mitgliedsstaaten, das diese nun nicht erteilen wollen. Das sei ja wohl konsequent, hieß es am Montag aus Kreisen diplomatischer Vertreter der Mitgliedstaaten: „Man kann nicht über den institutionellen Rahmen eines Vertragswerkes reden, das der eine Partner soeben grundsätzlich infrage gestellt hat.“

Brüssel setzt offenbar auf erste Stimmen gemäßigter Politiker in der Alpenrepublik wie den Chef der Sozialdemokraten, Christian Levrat. Der hat inzwischen eine weitere Volksabstimmung ins Gespräch gebracht, bei der die Schweizer entscheiden sollen, ob sie damit einverstanden sind, wenn alle Verträge mit der EU gekündigt würden. Viele Wählerinnen und Wähler hätten nämlich gar nicht gewusst, welche Auswirkungen ihre Stimmabgabe nach sich ziehen würde.