Rheinland-Pfalz

Verjüngte Landespartei vor der Rückkehr ins Parlament

Die Formulierung ist abgegriffen, aber sie passt: Wie Phönix aus der Asche sind die rheinland-pfälzischen Grünen wieder aufgestiegen, seit sie bei der Landtagswahl 2006 mit 4,6 Prozent aus dem Parlament flogen und so der SPD zur absoluten Mehrheit verhalfen. Heute liegen sie in Umfragen bei elf Prozent.

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Rheinland-Pfalz. Die Formulierung ist abgegriffen, aber sie passt: Wie Phönix aus der Asche sind die rheinland-pfälzischen Grünen wieder aufgestiegen, seit sie bei der Landtagswahl 2006 mit 4,6 Prozent aus dem Parlament flogen und so der SPD zur absoluten Mehrheit verhalfen. Heute liegen sie in Umfragen bei elf Prozent.

„Klar, dass die hier mitregieren“, protzt ein gut gelaunter Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin mit Blick auf die Landtagswahl am 27. März 2011 – auch wenn das Führungsduo Eveline Lemke (Kreis Ahrweiler) und Daniel Köbler (Mainz) sich noch landesweit bekannt machen muss.

Lemke formuliert es zurückhaltender. „Wenn wir eine Chance haben, werden wir sie nutzen.“ Am liebsten mit der SPD, gegebenenfalls in einer Ampel mit der FDP. Selbst Schwarz-Grün schließt Lemke nicht aus, obwohl das der Parteibasis kaum zu „verkaufen“ wäre. Letzteres scheint nach derzeitigen Umfragen aber wenig wahrscheinlich.

Tatsächlich präsentieren sich die erwachsen gewordenen Grünen als frische, unbelastete Alternative vor allem zu einer Regierungs-SPD, die sich am Nürburgring-Skandal den Lack zerkratzt hat. Natürlich profitieren sie vom Überdruss an den Volksparteien. Doch das reicht nicht als Erklärung. Im Nachhinein betrachtet, war der Abwahl-Schock heilsam: Der Landesverband, der in Rheinland-Pfalz stärker als anderswo in Anti-Atomprotesten und in Widerstandsaffekten gegen jegliches Polit-Establishment wurzelt, musste sich neu erfinden oder in Bedeutungslosigkeit versinken. Prompt wurden damals Stimmen laut, die „zurück in die Zukunft“ wollten, verengt auf urgrüne Themen wie Friedenspolitik und Ökologie, ohne „glattgebügelte“ Programme.

Dass es anders kam, geht zu einem guten Teil auf das Konto von Eveline Lemke. Die kurz zuvor aus Hessen zugezogene Unternehmensberaterin machte ab Herbst 2006 das „Projekt 2011“ zu ihrem Herzensanliegen. Unbelastet von rheinland-pfälzischen Flügelkämpfen, brachte sie Gruppen und Grüppchen in der Partei miteinander in Dialog. Denn was bei grober Betrachtung wie der alte Gegensatz zwischen „Fundis“ und „Realos“ aussah, war in Wirklichkeit Zersplitterung. Auch nach außen baute die eifrige Netzwerkerin neue Kontakte auf. Von der BASF und den Wirtschaftskammern werden die Grünen heute genauso eingeladen wie von Öko-Unternehmern oder Bauernverbänden. „Parkettfähig“, nennt Lemke das.

Zur Hilfe kam ihr und dem 2008 gewählten Ko-Vorstand Daniel Köbler der natürliche Generationswechsel in der vor 30 Jahren gegründeten Landespartei. Jüngere Neumitglieder finden Raum zur Entfaltung. Die Wahlergebnisse 2009 haben die Grünen selbst überrascht: 9,5 Prozent bei Europawahlen, 9,7 Prozent und den dritten Abgeordnetensitz für den Bundestag, ein Prozentpunkt mehr (8,1) bei den Kommunalwahlen und teils dramatische Zuwächse in Großstädten. Aus diesem Reservoir kann die Partei schöpfen. „Potenzielle Grünenwähler erwarten Inhalte“, sagt Köbler, der als das größere Rednertalent gilt. Energie, Klima, Bildung, soziale Teilhabe, das sind die Kernthemen für das entstehende Wahlprogramm. Der Wahlkampfreißer ist noch nicht absehbar, doch Köbler kündigt schon mal einen „heißen Herbst“ gegen die geplante Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke an.

Ihre Reifeprüfung bestanden die Grünen auf dem Listenparteitag: Das Votum für neue Gesichter im Landtag war eindeutig. Hinter Lemke und Köbler wurden erfahrene Kommunalpolitiker auf vordere Plätze gewählt und erst weiter hinten zwei Mitglieder der früheren Fraktion. Einer von ihnen – Urgestein Bernhard Braun – verdaute seinen Frust so: „Ich habe diese Partei noch nie so geschlossen erlebt.“

Claudia Renner