Kommentar: Das verbliebene Europa schließt seine Reihen

Diese Scheidung dürfte schmutzig werden. Europa will nichts mehr, als den Austritt der Briten möglichst rasch hinter sich zu bringen. Da mag viel angestaute Wut über die Insulaner hochkommen, die über Jahre hinweg die Politik der Gemeinschaft ausgebremst und blockiert haben. Das möchte die Union nicht noch einmal erleben, wenn es um den Abschied geht.

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Detlef Drewes zu Brüsseler Reaktionen auf den Brexit

Das Wort von Parlamentspräsident Martin Schulz nach der Ankündigung des britischen Premierministers David Cameron, den offiziellen Brexit-Antrag seinem Nachfolger ab Oktober zu überlassen, zeigt die Richtung: London dürfe nicht „den ganzen Kontinent in Geiselhaft“ nehmen, betonte er. Der EU geht es nicht darum, die Briten so schnell wie möglich loszuwerden. Aber sie drängt darauf, den Bürgern, Investoren, Finanzmärkten und der politischen Welt zeigen zu können: Das europäische Projekt ist nicht beschädigt. Und zugleich soll verhindert werden, dass der Triumph der Brexit-Befürworter ansteckend auf die EU-Gegner in anderen Mitgliedsländern wirkt. Dazu braucht die Union diesen Austrittsantrag. Denn bei den dann folgenden Verhandlungen will man Härte zeigen und damit andere abschrecken.

Tatsächlich machen sich in London ja bereits Spekulationen breit, durch Hinauszögern könne man seine Verhandlungspositionen verbessern. Die potenziellen Nachfolger Camerons erhoffen sich, dass ihre Wahllügen nicht allzu rasch entlarvt werden. Denn es war beispielsweise immer klar, dass es den Binnenmarkt nur mit der Niederlassungsfreiheit gibt. Die aber wollte Großbritannien für sich abschaffen. Das ist nur ein Mosaikstein dieses gigantischen Wahlbetrugs, mit dem die Manipulateure auf der Insel eine Mehrheit für den Brexit erreicht haben.

Europa schließt seine Reihen, um sicherzustellen, dass London am Ende nicht doch genau das bekommt, was es will: eine Union, aus der man sich die Rosinen herauspicken kann. Das Risiko, dass sich die Gemeinschaft wieder auf einen solchen faulen Kompromiss einlässt, ist groß – je länger sich das offizielle Austrittsverfahren hinzieht.

Vor allem deshalb braucht Brüssel jetzt eine klare Ansage aus London, dass der Wille des Volkes auch respektiert wird. Damit man am ersten Land, das die Gemeinschaft verlässt, ein Exempel statuieren kann – nach dem Motto: Wer vom Abschied aus der Union träumt, soll wissen, dass er politisch und wirtschaftlich einen Preis zahlt, der höher kaum sein könnte.

E-Mail: detlef.drewes@rhein-zeitung.net