Julia Klöckner: „Geld allein ist kein Allheilmittel gegen Ausgrenzung und Hilflosigkeit“

Von Julia Klöckner Wer wünscht sich nicht mehr Geld? Gerade die, die den Cent mehrfach umdrehen müssen, können eine Finanzspritze gut brauchen. Lieber 20 statt 5 Euro. Das ist menschlich, das ist verständlich. Das gilt aber nicht nur für Hartz-IV-Empfänger, sondern auch für die vielen Leute mit geringem Arbeitseinkommen.

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Von Julia Klöckner

Wer wünscht sich nicht mehr Geld? Gerade die, die den Cent mehrfach umdrehen müssen, können eine Finanzspritze gut brauchen. Lieber 20 statt 5 Euro. Das ist menschlich, das ist verständlich. Das gilt aber nicht nur für Hartz-IV-Empfänger, sondern auch für die vielen Leute mit geringem Arbeitseinkommen. Für sie steht keine Erhöhung an. Auch nicht für die Rentner. Deshalb kann es auch für Hartz-IV-Empfänger keine massive Erhöhung geben. Denn klar ist: Nur das, was zuvor erwirtschaftet worden ist, kann verteilt werden.

Genauso klar ist: Geld, das der Staat verteilt, ist nicht sein Geld, sondern das der Steuerzahler, das Geld der vielen Frauen und Männer, die täglich hart arbeiten und die das Portemonnaie auch nicht übervoll haben. Sie erwarten schlichtweg – zu Recht –, dass der, der arbeitet, mehr im Geldbeutel hat als der, der nicht arbeitet. Ein Paar mit vier Kindern, das von Hartz IV lebt, kommt mit Zuschüssen für Wohnen und Heizen und Übernahme der Krankenkassenbeiträge auf mehr als 2600 Euro. Konkret: Je höher der Hartz- IV-Satz ist, desto unattraktiver wird es für diejenigen mit niedrigem Arbeitseinkommen, überhaupt weiter arbeiten zu gehen. Und es muss auch einmal gesagt werden: Das Bundesverfassungsgericht hat keine Erhöhung der Regelsätze für die Hartz-IV-Empfänger verlangt, sondern eine nachvollziehbare Berechnung für die Gewährung des Existenzminimums.

Wer die Hartz-IV-Sätze drastisch erhöhen will, der will massive Steuererhöhungen für die, die selbst gerade so über die Runden kommen. Das wäre nicht richtig. Warum Langzeitarbeitslose nach Meinung der SPD und der Linken zusätzliches Geld für Tabak, Alkohol, Flugreisen oder Glückspiel bekommen sollen, ist für mich nicht einsichtig. Zumal Niedrigverdiener dies auch alles selbst tragen müssen. Im Übrigen halte ich es für falsch, dass die Kollegen der SPD das mit der Hartz-IV-Neuregelung verbundene Bildungspaket der Bundesregierung ablehnen. Das Paket sieht warmes Mittagessen für bedürftige Kinder, Schulmaterial, Lernförderung und ein Budget für Musik oder den Fußballverein vor. Das ist nötig, das darf nicht aus parteipolitischer Taktik abgelehnt werden. Wer das macht, handelt unsozial und grenzt Kinder aus.

Und wir alle wissen: Geld allein ist kein Allheilmittel gegen Ausgrenzung und Hilflosigkeit. Es geht auch darum, dass das Vertrauen von Menschen an die Aufstiegsmöglichkeiten in der Gesellschaft nicht verloren geht. Dafür ist unser Bildungspaket ein deutliches Zeichen. Das sind 620 Millionen Euro zusätzlich, damit Kindern der Start ins Leben gelingt, unabhängig davon, ob ihre Eltern Arbeit haben. Damit sie Erfolgserlebnisse haben, damit sie erfahren: Du kannst etwas, du wirst gebraucht, du hast eine Zukunft, die nicht Hartz IV heißt.

Die Linken und die SPD haben nach mehr als einer Woche inszenierter Empörung über die angeblich „zu niedrige Hartz-IV-Erhöhung“ noch immer nichts gefunden, was grundlegend gegen die neuen, von der Bundesregierung errechneten Hartz-IV-Regelsätze spricht. Das wundert mich auch nicht, denn die Berechnungen sind – wie es das Verfassungsgericht verlangt – in Ordnung und außerdem völlig transparent. Jeder kann die Datengrundlagen einsehen, die zur Neuberechnung herangezogen wurden. Sie stehen auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (www.bmas.bund.de). Mehr Klarheit geht nicht.

Und Politiker sollten ehrlich, aufrichtig sein. Dass sich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident über die neuen Regelsätze empört, ist nicht anständig. Denn er verschweigt, dass er damals im Bundesrat die Hand gehoben hatte für Hartz-IV-Sätze, die sogar um 20 Euro niedriger lagen und die anders als heute keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage hatten. Hartz IV wurde von Rot-Grün gemacht, der Aufschrei der rheinland-pfälzischen Sozialdemokraten blieb damals aus. Stattdessen haben wir nachgebessert und dafür gesorgt, dass die Lebensleistung vieler Hartz-IV-Empfänger anerkannt wird. Deshalb hat die christlich-liberale Koalition das sogenannte Schonvermögen deutlich angehoben, damit Hartz-IV-Empfänger mehr Ersparnisse für das Alter behalten können.

Und noch eines zum Schluss: Hartz IV soll nicht zu einem Dauereinkommen werden. Eine solche Sozialpolitik, die sich darauf beschränkt, Abhängigkeit vom Staat auszubauen und Passivität zu zementieren, ist kraftlos und wird scheitern. Hartz IV darf kein Dauerzustand sein. Dieses Versprechen, das sich Arbeitsuchende und die Gemeinschaft als Pakt für die Not in die Hand geben, das muss weiter gelten!