Dietrich Klein: „Wie sollen Klimaschutzziele bis 2020 erreicht werden?“

Dietrich Klein vom Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft kann die Forderung nicht nachvollziehen. Er sagt: Der hier erzeugte Biosprit wird ohnehin ausschließlich aus Futtergetreide und Industrierüben hergestellt.

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Auslöser der aktuellen Debatte war Anfang August eine Meldung der Welternährungsorganisation FAO, dass wegen Dürre in den USA weltweit mit einer Preissteigerung für Nahrungsmittel zu rechnen sei.

Die Menschen in Entwicklungsländern sind von Preissteigerungen am härtesten betroffen, und es wurde nach dieser Meldung vor einer Verschärfung des weltweiten Hungers gewarnt. Wenn es einen Zusammenhang zwischen Super E10 und Preisen für Nahrungsmittel gäbe, müssten diese seit dem Jahr 2004 ständig gestiegen sein, denn Bioethanol wird in Deutschland seit diesem Jahr dem Benzin beigemischt.

Tatsache ist jedoch, dass in diesem Zeitraum die Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel einem heftigen Auf und Ab unterlagen. Die Ursachen dieser Schwankungen und ihrer negativen Auswirkungen sind also nicht bei der im Jahr 2011 eingeführten Benzinsorte Super E10 zu suchen.

Der Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel weist zurecht darauf hin, dass die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in Entwicklungsländern erst mittelfristig wirken werden und voraussetzen, dass die Agrarpreise moderat und kontinuierlich steigen. Nur so kann der Hunger in der Welt bekämpft werden.

Ich stimme ihm zu, dass starke Schwankungen der Agrarpreise pures Gift sind. Um dadurch ausgelöste Krisensituationen zu verhindern, müssen Agrarspekulationen eingedämmt und Vorräte zur Bewältigung von Dürren und Missernten aufgebaut werden. Und zwar besonders durch Produktion in den Entwicklungsländern. Das ist eine dringende Aufgabe für die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer G 20.

Gegen Super E10 wird ethisch eingewandt, dass Kraftstoff nicht aus Nahrungsmitteln erzeugt werden sollte. In Deutschland werden keine Nahrungsmittel, sondern nur Futtergetreide und für die Nahrungsmittelerzeugung nicht zugelassene Industrierüben verwendet.

Dagegen wird mitunter eingewandt, dass auf den dazu genutzten Ackerflächen eben Getreide oder Zucker für den Export zum Beispiel nach Afrika angebaut werden sollte. In dieser Argumentation wird übersehen, dass die Reformen der EU-Agrarpolitik das ausdrückliche Ziel hatten, die EU-Überschüsse zu verhindern und diese nicht mehr in Entwicklungsländer zu exportieren. Deshalb wurden zeitweilig Flächen stillgelegt, staatliche Getreidelagerhaltung gestoppt, gestützte Getreideexporte abgeschafft und die Zuckerproduktion gesenkt. Mit diesen Reformen soll der Aufbau der Landwirtschaft in Entwicklungsländern unterstützt werden.

Die Forderung nach einem Stopp der Benzinsorte Super E 10 mit bis zu 10 Prozent Anteil Bioethanol wurde in den vergangenen Wochen von verschiedenen Seiten damit begründet, dass diese seit 2011 in Deutschland eingeführte Benzinsorte wegen des Preisanstiegs bei Mais in den USA zum Hunger in der Welt beitrage. Welche konkrete Wirkung hätte ein Verkaufsstopp von Super E10 in Deutschland? Die Wirkung ginge an dem Ziel, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, vorbei: Der Mehrbedarf für die Kraftstoffsorte Super E10 betrug im ersten Halbjahr 2012 etwa 66 000 Tonnen Bioethanol. Rein rechnerisch wurden für diese Menge 0,17 Prozent der deutschen Ackerfläche für diesen Zeitraum benötigt. Das sind etwa 21 000 Hektar von 1,3 Milliarden Hektar Ackerfläche weltweit.

Tatsächlich ist der Flächenbedarf für Bioethanol in Deutschland noch weit geringer: Für die Gewinnung von Bioethanol aus Futtergetreide wird der enthaltene Stärkeanteil und bei Industrierüben der Zuckeranteil durch Gärung genutzt. In integrierter Produktion werden aus den übrigen Bestandteilen der Pflanzen eiweißhaltige Futtermittel, Kraftfutter, Lebensmittel (Gluten, Hefe), aber auch Biogas und Biodünger gewonnen. Üblicherweise sind dies 0,7 bis 1,2 Tonnen Futter- und Lebensmittel pro Tonne Bioethanol. Diese Futtermittel senken zum Beispiel die umstrittenen Importe von Soja aus Südamerika.

Die Befürworter eines Verbots von Biokraftstoffen erklären nicht, wie die Klimaschutzziele bis zum Jahr 2020 im Verkehrsbereich erreicht werden sollen, denn dort steigen die Treibhausgasemissionen immer noch an. Elektrofahrzeuge haben gegenwärtig in Deutschland einen Anteil von 0,01 Prozent, und es sieht nicht danach aus, als würde sich daran innerhalb absehbarer Zeit viel ändern. Daher: Erhebliche Treibhausgaseinsparungen sind jetzt im Verkehrssektor nur durch sparsamere Fahrzeuge und durch die Verwendung von Biokraftstoffen zu erreichen.

Dietrich Klein