Luxemburg

EU straft die Mullahs ab: Außenminister beschließen Sanktionen gegen die Sittenpolizei des Iran

Von Katrin Pribyl
Demonstranten schwenken in Luxemburg vor der Sitzung der EU-Außenminister die alten Iranflaggen mit dem goldenen Löwen und rufen zum Sturz des Regimes in Teheran auf.
Demonstranten schwenken in Luxemburg vor der Sitzung der EU-Außenminister die alten Iranflaggen mit dem goldenen Löwen und rufen zum Sturz des Regimes in Teheran auf. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Während draußen vor dem Tagungszentrum auf dem Luxemburger Kirchberg Hunderte von Demonstranten Flaggen des vor 43 Jahren untergegangenen iranischen Kaiserreichs mit ihren goldenen Löwen schwenkten und in lautstarken Sprechchören zum Sturz der Regierung in Teheran aufriefen, beschlossen drinnen die EU-Außenminister Sanktionen gegen eben dieses Regime. Ein Signal der Staatengemeinschaft gegen die Mullahs – und der Unterstützung für die Protestbewegung.

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Die neuen Strafmaßnahmen beträfen „Akteure der Sittenpolizei, aber auch andere Verantwortliche“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Rande des Treffens der 27 Chefdiplomaten.

Neben der berüchtigten islamischen Religionspolizei und drei weiteren Organisationen stehen elf Einzelpersonen auf der schwarzen Liste. Diese wurden mit Einreisesperren belegt; sämtliche Vermögen, die auf Bankkonten in der EU liegen, wurden eingefroren. Allein die Bezeichnung „Sittenpolizei“ sei laut Baerbock „ein Unwort, wenn man sieht, welche Verbrechen begangen werden“.

Seit Wochen gehen im Iran Menschen gegen ihre Regierung und die strengen islamischen Gesetze auf die Straße und reißen sich demonstrativ das Kopftuch vom Haupt. Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die am 13. September festgenommen worden war, weil sie gegen die islamische Kleiderverordnung verstoßen haben soll. Drei Tage später starb sie in einer Klinik unter ungeklärten Umständen. Längst aber richten sich die Proteste, bei deren brutaler Niederschlagung die staatlichen Milizen unabhängigen Schätzungen zufolge bereits mindestens 300 Menschen getötet haben, nicht nur gegen das Kopftuch, sondern gegen das Regime und die Staatsform der Islamischen Republik.

Es gehe um „Jugendliche, Kinder, Frauen, viele Teile der Bevölkerung“, wie Baerbock sagte, „die nichts anderes wollen als in Frieden und in Freiheit zu leben“. Im Iran würden Frauen, die ohne Kopftuch aus dem Haus gehen oder abends gemeinsam singen und tanzen wollten, „verprügelt, zum Teil umgebracht“.

Ihr Amtskollege aus Luxemburg, Jean Asselborn, meinte mit Blick auf Teheran: „Die Allmächtigen müssen auf den Kalender schauen: Es ist 2022.“ Das Regime „funktioniert nicht mehr“. Gleichwohl räumte er ein, dass die Möglichkeiten der EU „beschränkt“ seien. Bei den nun verhängten Strafmaßnahmen handelt es sich um ein erstes Paket, mit dem die Union direkt auf das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten reagiert. Baerbock verkündete gestern, dass sich weitere Sanktionen bereits in Vorbereitung befänden. Außer der Listung von zusätzlichen Personen – schon länger stehen 90 Namen und Einrichtungen auf der EU-Strafliste – sieht man in Brüssel aber kaum andere Möglichkeiten. Groß ist etwa die Angst, dass Wirtschaftssanktionen die Falschen treffen könnten.

Atomdeal beschäftigt Außenminister

Auch der Atomdeal mit dem Iran, der vom ehemaligen US-Präsident Donald Trump einseitig aufgekündigt wurde, beschäftigte die Außenminister. Einige betonten zwar, man solle die beiden Themen nicht vermischen, doch hinter den Kulissen herrscht die Sorge, dass die wieder aufgenommenen Verhandlungen durch neue Sanktionen blockiert werden könnten. Asselborn jedenfalls zeigte sich wenig optimistisch, den Atomdeal „wieder auf die Schiene“ zu bekommen. Er könne sich nicht vorstellen, „dass es in diesem Klima, das jetzt herrscht, noch möglich ist“.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erwartet zurzeit keine Fortschritte bei den Gesprächen über eine Wiederbelebung des Abkommens von 2015. „Das ist schade, weil wir uns sehr, sehr angenähert hatten“, so der Spanier.