Mainz/Alzey

Tödliche Stiche waren „Quittung“ für unterschlagene Beute

Spurensicherung am Tatort.
Spurensicherung am Tatort. Foto: Jürgen Mahnke

Zuerst haben die beiden Angeklagten im Alzeyer Totschlagsprozess geschwiegen. Dann nahm der ältere der Brüder, der in U-Haft sitzt, alle Schuld auf sich: Er habe einen Bekannten nachts in Alzey erstochen, weil dieser seinen Bruder bedroht habe. So geht der Prozess weiter.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Mainz/Alzey – Zuerst haben die beiden Angeklagten im Alzeyer Totschlagsprozess geschwiegen. Dann nahm der ältere der Brüder, der in U-Haft sitzt, alle Schuld auf sich: Er habe einen Bekannten nachts in Alzey erstochen, weil dieser seinen Bruder bedroht habe (die MRZ berichtete).

Am Montag nun trat ein Mitgefangener des geständigen Angeklagten auf, und falls seine Aussage stimmt, dann war alles ganz anders.

Der Zeuge, ein 47-jähriger Zuhälter, berief sich bei seiner Aussage auf den 31-jährigen Angeklagten. Der habe ihm im Knast anhand von Fotos und Dokumenten den Tatablauf und die Hintergründe der Tötung geschildert. „Ich wollte keine Details wissen“, so der Zeuge. Aber sein Knastgenosse habe von sich aus vier- bis fünfmal über die Tat gesprochen.

Die beiden Angeklagten, einer ihrer Cousins und das Opfer sollen demnach gemeinsam eine Bande gebildet haben, die im Raum Alzey 18 Juweliere ausplünderte. Da die Schmuckhändler selbst Dreck am Stecken haben sollen, hätten sich die meisten nicht bei der Polizei gemeldet.

Das Opfer, so berichtete es der 130 Kilogramm schwere Wormser („Ich stell' schon was dar.“), sollte Schmuck im Wert von 70 000 Euro verkaufen. Doch statt den Verkaufserlös an die anderen abzuliefern, investierte das Opfer in Drogen. Darüber waren die Brüder mehr als nur verärgert. Deshalb sei der Mann kurzzeitig in die Türkei geflohen. Als er zurückkam, war es um ihn geschehen. Die beiden Brüder hätten ihr Opfer gemeinsam in eine Falle gelockt und mitten in Alzey in der Nacht am 9. August 2011 mit Messer und Schraubenzieher „zerfetzt“. „Wenn man die Fotos sieht, dann stellt man keine Fragen mehr“, sagte der Häftling. Der erste Stich habe das Opfer wohl in den Rücken getroffen.

Auch zur Verteidigungsstrategie der Angeklagten wusste der Mann etwas zu sagen: Beide Türken hofften mit einer vergleichsweise geringen Strafe davonzukommen, um dann mit der Beute in der Türkei einen Neuanfang zu machen.

Nein, Hoffnungen auf eine Hafterleichterung im Gegenzug für seine Aussage habe er nicht. Dazu sei sein „Register“ viel zu lang, betonte der 47-Jährige auf Fragen des Gerichts. Mit „Register“ meinte er seine stattlichen Vorstrafen. Im Gegenteil, er werde im Knast als Petze eher Ärger bekommen. Zudem hätte der ältere Angeklagte nicht nur zwei Gefängniswärter bedroht, sondern auch ihn.

Die detailreichen Aussagen des Häftlings werden von einem Polizisten gestützt, der von einem abgehörten Telefongespräch berichtete. Laut dem hat einer der beiden Angeklagten einem Gesprächspartner gesagt, dass das Opfer „Stress mache“, aber er und sein Bruder würden das jetzt regeln.

Zweifel an den Geständnissen der Angeklagten gibt es auch von anderer Seite: Selbst nach mehrtägiger Suche mit Hunden und Metalldetektoren konnte auf einem Platz in Framersheim kein Messer gefunden werden. Der 31-Jährige hatte erzählt, dass er kurz nach der Tat dort sein Messer versteckt habe. Das glaubt die Polizei jetzt nicht mehr.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Heiko Beckert