20,5 Prozent: Das schlechteste Ergebnis der Bundes-SPD in der Nachkriegsgeschichte hat die Sozialdemokraten nahezu traumatisiert. Und das nicht nur in Berlin, sondern auch an der Basis in Rheinland-Pfalz. Nur langsam weicht der Schock. Und doch herrscht in einem Punkt Einigkeit. Die direkte Ankündigung, nicht mehr für eine Große Koalition zur Verfügung zu stehen, stößt im nördlichen Rheinland-Pfalz ausnahmslos auf Zustimmung.
Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auf. Parteichef Martin Schulz erhält viel, aber keine uneingeschränkte Zustimmung im Land. Und zum zukünftigen Kurs der Sozialdemokraten gibt es viele Ideen, aber keine eindeutig erkennbare Richtung. Ein Lagebericht einer Partei, die vor einem Scherbenhaufen steht.
Der Neuwieder SPD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Fredi Winter findet deutliche Worte: „Die Enttäuschung ist riesengroß.“ Sein Hoffnungsschimmer ist die neue Rolle: „Lasst uns in die Opposition gehen, uns strukturell erneuern, uns auf unsere Ursprünge neu besinnen“, sagt Winter. Ihm ist zuletzt das Typische an der „Partei des kleinen Mannes“ etwas verloren gegangen.
„Hätten die Bürger wirklich eine neue Koalition von Union und SPD gewollt, hätten sie sicher anders gewählt. Die SPD muss sich nun erneuern“, analysiert Benedikt Oster, Landtagsmitglied und SPD-Kreisvorsitzender Cochem-Zell. Erneuerung sei nur in der Opposition möglich, eine Fortsetzung der Großen Koalition würde die SPD weiter schwächen.
„Die SPD tut gut daran, den Gang in die Opposition zu machen“, findet auch Marc Ruland, Landtagsabgeordneter und SPD-Vorsitzender im Kreis Mayen-Koblenz. 2009, 2013 und 2017 sei die SPD immer hinter ihren Zielen zurückgeblieben – nun sei ein Neuanfang nötig.
„Es war richtig, sich aus der Großen Koalition zu verabschieden“, sagt auch Andreas Hundhausen, SPD-Kreisvorsitzender im Kreis Altenkirchen. Die SPD habe in den vergangenen vier Jahren solide Arbeit geleistet, ist dafür aber nicht belohnt worden.
Für Michael Maurer, SPD-Chef im Rhein-Hunsrück-Kreis, ist klar: „Die SPD muss in die Opposition und sich dort erneuern – ob mit oder ohne Martin Schulz.“
Opposition, das findet die SPD im Land für den Bund also den richtigen Weg. Aber ist Martin Schulz dafür der richtige Vorsitzende? Die Basis im Land sagt größtenteils Ja – mit einem Aber.
„Im Wahlkampf ist nicht alles optimal gelaufen, aber Martin Schulz ist ein guter Parteivorsitzender“, sagt Denis Alt, Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Bad Kreuznach. Er hätte sich dennoch gewünscht, dass nicht kurz nach Schließung der Wahllokale die Posten verteilt werden.
Für den Vorsitzenden der SPD Rhein-Lahn, Mike Weiland, ist Schulz nach wie vor der richtige Parteivorsitzende: „Weil er die Partei hinter sich vereinigt hat und viele neue Mitglieder für die SPD begeistert.“
Differenzierter sieht das Landtagsmitglied Hans Jürgen Noss, Vorsitzender der SPD im Kreis Birkenfeld. Er steht zwar hinter Schulz, aber: „Mit einer Einschränkung: Es hat mir nicht gefallen, dass es direkt am Wahlabend hieß, dass er Vorsitzender bleibt. Da hätte man mal noch ein bisschen warten können.“
Bleibt die Kernfrage: Wie kann die SPD wieder mehr Wähler ansprechen? Die SPD müsse sich in der Mitte wieder weiter öffnen, wendet sich Joe Weingarten, gescheiterter Direktkandidat im Wahlkreis Bad Kreuznach-Birkenfeld, gegen einen Linksruck.
Das Buhlen um die Mitte habe der SPD nicht gut getan, sagt hingegen Detlev Pilger, Koblenzer SPD-Chef und Bundestagsmitglied.
Die SPD muss eine schwierige Balance hinkriegen, findet Marcel Hürter, Vorsitzender der SPD im Kreis Ahrweiler: den Markenkern soziale Gerechtigkeit hochhalten und für eine breite Bevölkerungsschicht wählbar sein – in einer immer ausdifferenzierteren Gesellschaft.
Der Blick ins Land zeigt: Die SPD, sie hat noch viel Arbeit vor sich.