Neuwied

IG Metall Neuwied hält Funktionärskonferenz ab

Foto: IG Metall Neuwied

Die „ungerechte Verteilung des Reichtums in den entwickelten kapitalistischen Gesellschaften“ sei „eine Geißel unserer Zeit“, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall aus Frankfurt am Main.

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Auf einer Funktionärskonferenz der IG Metall Neuwied stellte Urban fest: „Hinter den positiven Durchschnittszahlen, mit denen die Politik angebliche Erfolge bei Wachstum und auf dem Arbeitsmarkt feiert, verbergen sich eklatante Ungerechtigkeiten. Eine gesellschaftliche Minderheit profitiert, während die Erträge der wirtschaftlichen Wertschöpfung an vielen Menschen in unserer Gesellschaft vorbeiziehen.“

In seinem Vortrag benannte der Gewerkschafter eine Reihe von Beispielen für die „eklatante Ungleichverteilung“ des gesellschaftlichen Reichtums in Deutschland. So seien die Arbeitseinkommen in Deutschland in den letzten Jahren durchschnittlich zwar gestiegen, aber die Beschäftigten im unteren Drittel der Einkommensskala hätten im gleichen Zeitraum einen Verlust an Kaufkraft hinnehmen müssen. Ein Grund für diese Fehlentwicklung sei die voranschreitende Erosion der Tarifverträge, die in der Regel zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden abgeschlossen werden. Urban: „Nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland profitieren noch von einem Tarifvertrag. Tarifflucht gehört für viele Arbeitgeber heute offenbar zum guten Ton. Das ist eine Ungeheuerlichkeit!“

Foto: IG Metall Neuwied

Zugleich hätten die Arbeitsmarktreformen der Vergangenheit, die sogenannten Hartz-Gesetze, eine schlechtere Versorgung von Arbeitslosen zur Folge gehabt. „Für eine alleinerziehende Mutter oder eine Familie, die von Hartz IV leben muss, klingen die Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt wie Hohn“, fügte der Gewerkschafter hinzu.

Auch die Vermögen seien mehr als ungerecht verteilt. „In Deutschland besitzen die 45 reichsten Haushalte so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung“, sagte Urban, um dann hinzuzufügen: „Ich halte das für einen verteilungspolitischen Skandal!“

Schließlich verwies Urban auf eklatante Ungerechtigkeiten im Bildungssystem. In keinem Industrieland sei der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen so eng wie in Deutschland. Während für Kinder aus Akademiker-Haushalten ein Studium der Normalfall sei, sei die Zahl von Studierenden aus Arbeiterfamilien in den letzten Jahren immer weiter gesunken. „Die Klassenspaltung ist ins deutsche Bildungssystem zurückgekehrt. Das ist einer reichen Gesellschaft wie der deutschen unwürdig“, stellt Urban fest.

Zur Korrektur dieser Fehlentwicklungen forderte der IG Metall Vorstand eine „Initiative für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft“. In diesem Zusammenhang verwies er auf den letzten Tarifabschluss der IG Metall, der den Beschäftigten für dieses Jahres eine kräftige Lohnerhöhung von 4,3 Prozent gesichert hat. „Das ist Verteilungspolitik, die der einkommenspolitischen Fehlentwicklung entgegenwirkt“, sagte der Gewerkschafter.

Doch die Tarifpolitik alleine könne das Problem nicht lösen. Deshalb forderte Urban die Politik auf, durch eine „mutige und offensive Verteilungspolitik“ der wachsenden Ungleichheit entgegen zu wirken. Notwendig sei vor allem eine Reform der Einkommenssteuer, um höhere Einkommen stärker in die Pflicht zu nehmen und niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten. Unverzichtbar sei auch eine Erbschafts- und Vermögenssteuer, die große Vermögen wieder angemessen an der Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben beteiligt. Die Mehreinahmen des Staates müssten in Form öffentlicher Investitionen an die Gesellschaft zurückfließen. Urban forderte dazu eine „Investitions-Offensive für soziale Gerechtigkeit“. Investitionsbedarfe sah er vor allem im Bildungssystem und im Feld des öffentlichen Wohnungsbaus. „Investitionen in soziale Gerechtigkeit sind Investitionen in eine bessere Gesellschaft. Und: Mehr Gerechtigkeit bedeutet auch mehr Zuversicht der Menschen in die eigene Zukunft. Und das stabilisiert am Ende auch die Demokratie und hilft uns, den Demokratiefeinden von rechts das politische Wasser abzugraben“, fügte der Gewerkschafter hinzu.