Freud, aber vor allem auch Leid, werden von oben nach unten durchgereicht. Genosse Trend lässt grüßen – und lässt den etablierten Akteuren auf Wahlkreisebene offenkundig wenig Chancen, eigene Lorbeeren zu sammeln.
Die Parteien von Merkel und Schulz werden abgestraft, und die Christ- und Sozialdemokraten an der Nahe büßen ebenfalls ein. Man fühlt sich an die Landtagswahl 2016 erinnert, als solches Ungemach die CDU in die Niederlage stürzte.
Im umgekehrten Extrem darf sich bei dieser denkwürdigen Bundestagswahl die AfD-Kandidatin Nicole Höchst, wiewohl in der Region weder bekannt noch irgendwie positiv aufgefallen, im Glanze ihrer Bundespartei sonnen.
Antje Lezius und Joe Weingarten dürfen insofern in Maßen zufrieden sein, als sie beide doch deutlich vor den Zweitstimmenergebnissen ihrer Parteien liegen. Diese allerdings sind – vor allem bei der CDU – dramatisch abgefallen im Vergleich zu 2013. „Ich wähle nur noch die Partei, von der ich am wenigsten enttäuscht bin“, sagte der österreichische Dichter Ernst Ferstl. Solches Denken ist menschlich, und die Partei der chronisch Enttäuschten, selbstgefühlt Zukurzgekommenen und Fremdenskeptischen erntet üppig. Auch im Naheland.
Nun kann niemand behaupten, dass die AfD bislang in lokalen Gremien und im Kreistag irgendwie Akzente gesetzt oder Furore gemacht hätte. Gleiches gilt für die Landespolitik. Dennoch trifft sie den Nerv der Zeit bei zahlreichen Wählern. Und wer gar gehofft hatte, die hohe Wahlbeteiligung sei ein Rettungsring für die Parteien der Mitte, der hat sich gehörig getäuscht.
Ja, enttäuscht kann man sein, wenn das Dorf ausblutet, die Infrastruktur lahmt, sinnleere Fusionen drohen, Wahlversprechen unglaubwürdig scheinen. Aber Protest ist kein dauerhaft guter Ratgeber. Der nächste Wahltag ist wieder „Zahltag“. Abwarten, wer dann am wenigsten enttäuscht hat.
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