Hochgenuss: Spitzenküche auf dem Gletscher

Mehrere Jahre hat David Kostner im Ausland gearbeitet, war in der Schweiz und England, hat in Sterneküchen am Herd gestanden – und ist 2010 in seine Heimat zurückgekehrt. Auf dem Stubaier Gletscher in Tirol leitet er auf 2900 Metern das Haubenrestaurant Schaufelspitz, das einzige Spitzenrestaurant auf dieser Höhe in Europa.
Mehrere Jahre hat David Kostner im Ausland gearbeitet, war in der Schweiz und England, hat in Sterneküchen am Herd gestanden – und ist 2010 in seine Heimat zurückgekehrt. Auf dem Stubaier Gletscher in Tirol leitet er auf 2900 Metern das Haubenrestaurant Schaufelspitz, das einzige Spitzenrestaurant auf dieser Höhe in Europa. Foto: Anke Mersmann

Wer auf einer Skihütte Essen bestellt, ist in der Regel nicht auf kulinarische Überraschungen aus. Er bestellt Speckknödel, Kaiserschmarrn oder Gulaschsuppe, er will richtig satt werden und schnell wieder hinaus auf die Piste. Das ist auf dem Stubaier Gletscher in Tirol grundsätzlich nicht anders, diverse Bergrestaurants und Hütten verköstigen die Skifahrer. Doch es gibt auch ein Restaurant auf dem Berg, in dem alles ein wenig anders ist.

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Von unserer Redakteurin Stephanie Mersmann

„Die Standardangebote hat jeder, die erwartet der Gast einfach. Wir wollen ihm darüber hinaus etwas Einzigartiges bieten“, sagt David Kostner. Der 33-Jährige ist Küchenchef des Restaurants Schaufelspitz, das sich auf 2900 Meter Höhe auf dem Stubaier Gletscher in Österreich befindet. In Europa ist es das einzige Spitzenrestaurant auf dieser Höhe, aktuell wurde es vom „Gault-Millau“-Guide zum dritten Mal in Folge mit 14 Punkten und einer Haube prämiert.

In der Bergstation Eisgrat werden hier Gerichte wie Timbal von Räucherforelle und Taschenkrebs, Steinpilzsuppe mit Kaninchenroulade oder geschmortes Backerl vom Stubaier Almochsen serviert, Grundlage ist die klassische österreichische Küche. „Hochgenuss im wahrsten Sinne des Wortes“, wirbt der Betreiber für das Restaurant. Etwas anderes als die gewohnten Germknödel und Kasnocken gibt es hier allemal – und ziemlich hoch oben wird im Schaufelspitz tatsächlich genossen.

Für einen Trend weg von den Selbstbedienungsrestaurants auf dem Berg steht das Gourmetrestaurant nicht, betont Kostner, es sei lediglich eine Ergänzung, etwas anders, um sich von den anderen Skigebieten abzusetzen. „Da geht es nicht darum, dass sich das rechnet, den Umsatz machen wir mit der Selbstbedienung“, sagt er. Dass die Nachfrage dennoch da ist, davon ist er überzeugt: „Skifahrer haben eher höhere Ansprüche, davon sind viele erst mal überrascht.“

Und so hängen an der Garderobe des Schaufelspitz zwar dicke Schneejacken, und die Gäste tragen eher Fleecejacke als gestärktes Hemd, aber ansonsten ist das Ambiente in dem Restaurant schon deutlich schicker als das, was der Skifahrer gemeinhin gewohnt ist. Obwohl: In den anderen Restaurants, in denen Kostner gekocht hatte, bevor er ins Stubaital gekommen ist, sah das freilich noch einmal anders aus.

Küchenchef David Kostner richtet das Schwarzfußschwein mit confierter Paprika an. Bei der Zubereitung jedes Gerichts ist klar: Auf 2900 Meter Höhe sind Garzeiten und Co. anders – alle Rezepte muss Kostner anpassen.
Küchenchef David Kostner richtet das Schwarzfußschwein mit confierter Paprika an. Bei der Zubereitung jedes Gerichts ist klar: Auf 2900 Meter Höhe sind Garzeiten und Co. anders – alle Rezepte muss Kostner anpassen.
Foto: Anke Mersmann

Alle Rezepte müssen den besonderen Bedingungen angepasst werden

Vier Jahre lang stand der Tiroler in der Schweiz und in London in großen Luxusrestaurants am Herd, unter anderem im Pétrus in der britischen Hauptstadt, das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. „In der Großstadt erwarten die Gäste mehr, hier wollen sie einfach relaxen“, sagt Kostner. Die kulinarischen Ansprüche seien allerdings die gleichen, auch wenn man im Schaufelspitz zum Champagner auch einen Palatschinken bestellen kann.

Wirklich anders ist auf dem Berg allerdings vor allem, wie die Speisen entstehen. „Das ist sehr spannend: Der Siedepunkt ist hier zum Beispiel schon bei 89 Grad, der Luftdruck ist anders. Da muss ich alle Rezepte anpassen“, sagt Kostner. Fragen kann er da niemanden, Erfahrungen in der Spitzengastronomie gibt es kaum. So hat er beim Ausprobieren herausgefunden, dass Consommé und Crème brûlée quasi unmöglich sind, da das Eiweiß nicht stockt, dass Kuchen doppelt so hoch aufgeht wie am Boden, dann aber wieder zusammenfällt, dass Pasta schwieriger zuzubereiten ist, da das Wasser zwar schneller kocht, aber noch nicht die ausreichende Temperatur hat. Bei anderen Zutaten kann er die Höhe für sich nutzen. Fleisch etwa braucht durchschnittlich eine Stunde länger, wird aber schonender gegart. Und die zum Teil empfindlichen Lebensmittel Tag für Tag mit der Gondel auf den Gletscher zu transportieren, ist zwar viel Arbeit – „aber für Tiefgefrorenes ist das natürlich positiv“, sagt Kostner mit einem Lachen.

Hochgenuss: Spitzenküche auf dem Gletscher
Foto: Anke Mersmann

Unterm Strich ist die Arbeit des Spitzenkochs deutlich aufwendiger als in London oder Luzern. Wie bekommt man die Waren auf den Berg, wie bereitet man die Gerichte vor und schließlich zu – und das in einem begrenzten Zeitfenster von der ersten Gondel am frühen Morgen bis zur letzten Gondel um 17.15 Uhr? Ein logistischer Gewaltakt ist das für Kostner, der nicht nur den Schaufelspitz, sondern die gesamte Gastronomie auf dem Stubaier Gletscher mit mehreren Restaurants, Hütten und Cafés verantwortet. „Das macht es für mich aber auch richtig interessant“, sagt der Koch. „Es ist eine neue Herausforderung.“

Zurück in die Heimat

Diese hat ihn im September 2010 in die Heimat zurückgeführt. Damals übernahm er die Leitung des Restaurants Schaufelspitz, zog ins Stubaital – und hier will er bleiben. Kostner selbst stammt aus dem nahen Innsbruck, „und meine Frau ist Stubaierin.“ Zusammen sind sie zurückgekehrt, mittlerweile führt seine Frau eine Pension, und ein gemeinsames Kind haben sie auch bekommen. „Die Berge und die Ruhe habe ich immer vermisst“, sagt der 33-Jährige, der natürlich auch Ski fährt, wie wohl jeder hier. Im Stubaital ist er sesshaft geworden.

Beruflich kann er sich allerdings nicht zurücklehnen. Die Erwartungen der Gäste und auch der Kritiker will Kostner erfüllen, „man muss einzigartig bleiben, darf nie stehen bleiben“, sagt er. Und ab 15 Punkten im „Gault-Millau“ bekommt man zwei Hauben statt einer ...