Rheinland-Pfalz

Porträt: Am Ende zog Kurt Beck sich in die Wagenburg zurück

Foto: Jens Weber

Es war bei seiner letzten Plenarsitzung im Amt des Ministerpräsidenten, als viele Beobachter ihren Augen nicht trauten. Plötzlich gesellte sich der Regierungschef zu den Journalisten in der Landtagslobby. Kurt Beck plauderte ganz entspannt eine knappe Dreiviertelstunde, erzählte Anekdoten, ließ Einblicke in seine Gefühlslage zu.

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Der Kreis um ihn herum wurde immer größer. „So etwas hat es in den 18 Jahren seiner Amtszeit noch nicht gegeben“, meinte nachher ein Kenner der Szene. Und manch ein Teilnehmer dieser kurzweiligen Runde dachte: Warum war Beck nicht immer so?

Aufbrausend und empfindlich

In den letzten Jahren seiner Amtszeit war das Verhältnis von Medien und Ministerpräsident angespannt. Kurt Beck wirkte misstrauisch, leicht reizbar, zuweilen aufbrausend. Fragerunden mit dem Ministerpräsidenten glichen oft einem Gang durch ein politisches Minenfeld. Es herrschte Explosionsgefahr. Unausgesprochen standen Fragen wie diese im Raum: Wer bohrt jetzt nach beim Nürburgring? Wer bei der Justizreform? Niemand hatte Lust, diese leidigen Themen anzupacken. Beck reagierte oft zu unwirsch, um eine konstruktive Gesprächsatmosphäre aufrechtzuerhalten. Seine Körpersprache signalisierte Verschränktheit, Abwehr gegen diese nervigen Dauerbrenner.

Bezeichnend war eine Pressekonferenz vor der Landtagswahl im März 2011. Kurt Beck stellte wort- und detailreich seine Regierungsbilanz vor. Anschließend durften die Journalisten Fragen stellen. Doch niemand sagte ein Wort. Überfrachtet mit Informationen, hatte keiner den Nerv, eine Diskussion in Gang zu bringen. Ein Symbol für das wachsende Nicht-Verhältnis zwischen Medien und Ministerpräsident.

In den ersten Jahren von Becks Amtszeit muss das anders gewesen sein. Da trafen sich Politiker und Journalisten zu geselliger Runde im Weinkeller der Staatskanzlei. Dieses enge Verhältnis von Macht und Medien war von gegenseitigem Nutzen inspiriert, löste deswegen aber auch Unbehagen aus. Irgendwann lief die Tradition aus. Und dann kam im September 2008 das Beck-Drama am Schwielowsee. Damals fühlte sich der damalige SPD-Bundesvorsitzende von einem Wolfsrudel von Journalisten und intriganten „Parteifreunden“ gejagt. Kurt Beck kam sich verraten vor. Genervt und getroffen warf er den Bundesvorsitz hin.

Menschlich und politisch erholte er sich nur langsam von dieser Niederlage. Seine Beziehung zu den Medien kam nie wieder ins Lot. Der Ministerpräsident war fortan auf der Hut, ließ kaum jemand mehr an sich heran. Das prägte auch die Staatskanzlei. Beck verschanzte sich in seiner Wagenburg. Natürlich kamen, um im Bild zu bleiben, immer noch Boten von außen in diese politische Festung. Und Beck selbst suchte nach wie vor den Kontakt zu den Bürgern, vielleicht seine größte Kraftquelle. Aber die Offenheit für kritische Stimmen, für korrigierende Einwände war nicht mehr die gleiche. Nur so lässt sich erklären wie es zu Kommunikationsdesastern wie der schier endlosen Nürburgring-Krise oder der gescheiterten Justizreform kommen konnte. In der Außenwirkung wirkte Beck oft stur und uneinsichtig, als dürfe er keinen Zentimeter Boden verlieren. Dieses Auftreten hat ihm und seiner Partei geschadet.

Die CDU-Opposition schlug instinktsicher in diese Kerbe. Sie reizte und provozierte den alten Löwen, wo immer es möglich war. Partei- und Fraktionschefin Julia Klöckner erreichte in der Kunst der politischen Stichelei eine gewisse Meisterschaft. Das trieb Beck weiter in die Defensive. Er versuchte inhaltlich zu kontern, was persönlich gemeint war. Oft blieb ihm nur noch ein wütendes Knurren. Doch die Opposition wusste, dass die Zähne des alternden Alphatieres längst nicht mehr so scharf waren. Die Beck-Dämmerung hatte eingesetzt – lange bevor ihn seine Krankheit tatsächlich zum vorzeitigen Rückzug zwang.

Stiller Helfer für viele Bürger

Doch auch in dieser Phase blitzte immer wieder der Alte auf. Dann wirkte der Ministerpräsident entspannt, dann kam sein Humor durch. Die größte Konstanz hatte indes sein Umgang mit den Bürgern. Mit Engelsgeduld posierte er für Fotos, plauderte mit ganz normalen Rheinland-Pfälzern. Und Beck war stets bereit, ohne jedes Aufheben Einzelpersonen zu helfen, deren Schicksal an ihn herangetragen wurde. Ganz gleich, um wen es sich handelte.

In den letzten Tagen vor seinem Rückzug deutete Beck an, wie schwer er oft an der Last der Verantwortung getragen hat. Wie viele Nächte er in der Sorge durchwachte, die Weichen falsch zu stellen. Wie häufig er nachts mit seinem Block in seiner Mainzer Wohnung saß und Lösungen skizzierte. Beck gönnte sich kaum Pausen, war eigentlich immer im Dienst. Und vieles musste er mit sich selbst ausmachen, weil der, der die Richtung vorgibt, seine Zweifel verbirgt. Diese Last fällt nun von seinen Schultern. Der neue Kurt Beck dürfte künftig wieder öfter der alte sein.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück