Berlin/Rheinland-Pfalz

Mainzer Verfassungsrechtler zweifelt an SPD-Votum

Von Ursula Samary, dpa
Ist es verfassungsrechtlich in Ordnung, wenn SPD-Mitglieder darüber entscheiden, wer Deutschland regiert? Der Mainzer Wissenschaftler Friedhelm Hufen hat große Bedenken.
Ist es verfassungsrechtlich in Ordnung, wenn SPD-Mitglieder darüber entscheiden, wer Deutschland regiert? Der Mainzer Wissenschaftler Friedhelm Hufen hat große Bedenken. Foto: dpa

Nun ist die SPD-Basis am Zug: Die Partei hat ihr Mitgliedervotum über den erneuten Eintritt in eine Große Koalition mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gestartet. Alle Mitglieder sollen die Wahlbriefe mit einer eidesstattlichen Erklärung bis zum 2. März ans Postfach des Vorstands schicken. Briefe, die später eingehen, werden nicht berücksichtigt. Der Stichtag für den Parteieintritt, um noch abstimmen zu dürfen, war der 6. Februar. Es wird mit einem knappen Ausgang gerechnet.

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Die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sagte: „Ob wir in eine neue Große Koalition eintreten, ist in der SPD keine Entscheidung der Parteispitze allein.“ Alle Sozialdemokraten „treffen diese Entscheidung alle gemeinsam“. Für die Erfolge lohne es sich aber zu kämpfen.

Der Mainzer Verfassungsrechtler Prof. Friedhelm Hufen beobachtet das Mitgliedervotum der SPD über den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag allerdings mit Bedenken. Dass etwa 463.000 Mitglieder, darunter auch nicht wahlberechtigte Ausländer und Jugendliche, über die künftige Bundesregierung abstimmen, wertet Hufen „als verfassungsrechtlich höchst bedenklich“.

Denn mit dem Votum würden die Abgeordneten unter Druck gesetzt. „Praktisch erhalten sie ein imperatives Mandat“ – also den Auftrag, im Sinne ihrer Partei abzustimmen. Wenn sie nur ihrem Gewissen folgten und sich nicht so entscheiden, wie die Mehrheit der SPD es will, „sind sie bei der nächsten Kandidatenaufstellung weg vom Fenster“, beschreibt Hufen, der von 2008 bis 2014 auch dem rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof angehörte, die Lage. Das Grundgesetz aber besage, dass die frei gewählten Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes und nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sind.

Wenn Befürworter das SPD-Votum für demokratischer halten als einen Beschluss des CSU-Vorstands oder eines CDU-Parteitags, dann widerspricht der Rechtswissenschaftler. „Denn diese Voten entsprechen der repräsentativen Demokratie von Deutschland: Der Vorstand ist von der Partei für die Entscheidung beauftragt – und die Delegierten eines Parteitags sind für die Abstimmung gewählt“, argumentiert Hufen.

Das Bundesverfassungsgericht hat über Klagen gegen das Mitgliedervotum aus formalen Gründen nicht entschieden und sich inhaltlich bisher noch nicht mit der brisanten Frage befasst. „Parteien sind nicht Teil des Staates“, urteilten die Karlsruher Richter. Damit Verfassungsbeschwerden Erfolg haben, hätten die Kläger nachweisen müssen, selbst vom Staat in eigenen Grundrechten verletzt zu sein. Daher denkt Hufen, dass womöglich ein Bürger Erfolg hätte, der argumentiert: „Mein Wahlrecht wird unterlaufen.“ Denn nach Umfragen befürworten mehr SPD-Wähler eine neue GroKo als SPD-Mitglieder. Der Mainzer Wissenschaftler würde sich jedenfalls eine Vorgabe vom Bundesverfassungsgericht dringend wünschen. Denn nach seinem Verständnis setzt das Grundgesetz immer wieder Fristen und gibt ein gewisses Tempo vor. „Jetzt aber verzögert eine Partei eine Regierungsbildung, muss die ganze Republik warten, bis sich die SPD-Mitglieder entschieden haben“, kritisiert Prof. Friedhelm Hufen.

Ärger gibt es unterdessen um ein Begleitschreiben, das den Unterlagen für das Votum beiliegt. In sozialen Medien wird es als einseitig kritisiert, weil es in dem Brief heißt: „Wir als Verhandlungsteam empfehlen Dir aus Überzeugung, mit JA zu stimmen.“ Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans meinte dazu im Kurznachrichtendienst Twitter: „Wie freundlich, dass das Komma nicht auch noch um zwei Wörter nach vorn gerückt worden ist ... So was macht man nicht.“ Wäre dies der Fall gewesen, würde sich der Satz wie ein Befehl lesen: „Wir als Verhandlungsteam empfehlen Dir, aus Überzeugung mit JA zu stimmen.“

Ursula Samary/dpa

Hündin Lima darf nicht wählen

Jetzt macht auch noch ein Hund der SPD Ärger. Die „Bild“-Zeitung berichtet über einen erfolgreichen Online-Antrag für eine Parteimitgliedschaft, hinter dem sich eine Hündin namens Lima verbirgt. Die SPD will den Hund nun wieder ausschließen, da der Antrag „mit Täuschungsabsicht erstellt worden ist“, wie ein SPD-Sprecher sagt – das Formular wurde mit den Angaben einer 21 Jahre alten Frau ausgefüllt.

Noch unklar ist, ob das Ganze auch strafrechtlich relevant sein kann. „Bild“ berichtet, beim zuständigen Ortsverein in Berlin sei kurz vor dem Ende der Frist für Parteieintritte, die noch zur Teilnahme am Mitgliedervotum berechtigen, ein Online-Antrag eingegangen. Dieser führte zum Eintritt der Hündin Lima. Ausgefüllt war der Antrag laut SPD mit einem Frauennamen, korrekter Adresse, Geburtsdatum, Bankverbindung und E-Mail-Adresse. Auch wenn Lima erst drei ist, wurde das Alter mit 21 angegeben – „gerechnet in Hundejahren“, wie „Bild“ schreibt. Der SPD-Sprecher sagte, in vielen Fällen führe der zuständige Ortsverein noch ein Telefonat mit Interessenten für eine Mitgliedschaft, es sei hier aber keine Telefonnummer angegeben worden. An Lima ging die Einladung zu einer Regionalkonferenz, auch die Unterlagen zum Votum landeten im Briefkasten des Frauchens.
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