Berlin

Entfacht Höcke-Rede neuen AfD-Machtkampf?

Von Anne-Beatrice Clasmann
Der AfD-Politiker Björn Höcke und das Holocaust-Mahnmal in Berlin. (Fotomontage)
Der AfD-Politiker Björn Höcke und das Holocaust-Mahnmal in Berlin. (Fotomontage) Foto: dpa (2)/jo

Die AfD will sich im Bundestagswahljahr als „Protestpartei“ profilieren, die „immer wieder politisch inkorrekt“ ist. Dabei wolle man auch vor „sorgfältig geplanten Provokationen“ nicht zurückschrecken. So stellt es die Partei in einem Strategiepapier fest, das der Bundesvorstand im vergangenen Dezember verabschiedet hat. „Je negativer und unfairer die Altparteien auf Provokationen reagieren, desto besser“, heißt es in dem Papier, das unter Federführung von Vorstandsmitglied Georg Pazderski entstanden ist.

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Von daher müsste die Parteiführung eigentlich frohlocken. Denn durch die Dresdner Rede des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke haben sich viele Menschen provoziert gefühlt. Die Empörung der politischen Gegner ließ nicht lange auf sich warten. Allerdings enthält das Strategiepapier der Bundespartei auch eine Warnung: „Klamauk, Negativismus um jeden Preis und Hetze haben bei der AfD keinen Platz.“ Ob sich Höcke an diesen Grundsatz gehalten hat, darüber gibt es in der Partei unterschiedliche Meinungen.

Liest man die Einlassung der AfD-Vorstandsmitglieder Frauke Petry und Alice Weidel, kann man davon ausgehen, dass Höckes Kritik an der deutschen Sicht auf die eigene Geschichte nicht mit der Parteispitze abgestimmt war. Und dass er damit den zuletzt etwas verebbten innerparteilichen Streit neu entfacht haben könnte. Da sind zunächst einmal die innerparteilichen Rivalitäten. Höcke hat diese Rede in Dresden gehalten. Vorsitzende der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag ist Frauke Petry, über die Höcke selten ein gutes Wort verloren hat.

Auch mit Petrys Ehemann, dem nordrhein-westfälischen AfD-Vorsitzenden Marcus Pretzell, verbindet Höcke keine Freundschaft. Um Höckes „strategische Kommunikation“ kümmert sich seit dem vergangenen Sommer Günther Lachmann. „Die Welt“ hatte sich im Februar 2016 von Lachmann getrennt, nachdem Pretzell den Vorwurf erhoben hatte, der Journalist habe sich der AfD als Berater angeboten. Doch nicht nur Petry und Pretzell haben Höckes Rede scharf kritisiert. Protest kam auch von mehreren AfD-Funktionären aus den westlichen Landesverbänden. Sie befürchten, dass ihnen der rechte Scharfmacher Höcke die Wähler aus dem konservativen Lager vergrault – mit Sprüchen, die im Osten vielleicht besser ankommen.

Am deutlichsten wird der Opernsänger Dirk Driesang. Er schreibt einen offenen Brief an Höcke. Darin fordert er ihn auf, sich zu ändern oder aber die Partei zu verlassen. Warum er diesen Brief geschrieben hat? „Hier ist für mich eine Grenze überschritten worden“, sagt Driesang, Beisitzer im AfD-Bundesvorstand. Er hat Höckes Rede in seinem Brief sorgfältig seziert – von der „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“, die der Thüringer AfD-Chef einfordert, bis hin zum „vollständigen Sieg“. Wenige Tage vor seiner Rede bei einer Veranstaltung der Jungen Alternative (JA) hatte Höcke erklärt, er wolle nicht für den Bundestag kandidieren. Das mag damit zu tun haben, dass er lieber Chef in Thüringen ist als Mitglied einer Fraktion, die möglicherweise von Frauke Petry geleitet wird.

Der Zeitpunkt für Höckes provozierende Rede in Dresden lässt aufhorchen. Pretzell organisiert in seiner Eigenschaft als Mitglied der rechtspopulistischen ENF-Fraktion im Europäischen Parlament an diesem Samstag in Koblenz eine Tagung, während der die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen und der niederländische Einwanderungsgegner Geert Wilders sprechen sollen. Auch Petry soll eine Rede halten. Das frischvermählte AfD-Paar könnte mit dem Treffen der europäischen Rechtspopulisten bei den Mitgliedern des rechten Flügels der AfD punkten, den eigentlich Höcke zusammen mit Parteivorstandsmitglied André Poggenburg dominiert.

„Der Führungsstreit ist beigelegt“, heißt es im Strategiepapier der AfD zum Wahljahr 2017 – in einem Kapitel, in dem die aktuellen „Stärken“ der Partei aufgelistet werden. Vielleicht war das doch etwas voreilig formuliert.

Von Anne-Beatrice Clasmann (dpa)