Mainz/Vaduz

RZ-INTERVIEW: Regierungschef sieht Liechtenstein auf dem Weg zur „Stabilitätsoase“

Die Zumwinkel-Affäre ist unvergessen: Der frühere Postchef flog 2009 spektakulär als Steuerhinterzieher auf, er hatte sein Geld in Liechtenstein deponiert. Doch der Kleinstaat will nicht länger als Steueroase gelten: Regierungschef Klaus Tschütscher betont im Interview mit unserer Zeitung, wie sehr sich das Land gewandelt hat. Das Verhältnis zu Deutschland nennt er „freundschaftlich“.

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Liechtenstein ist eine Steueroase – das denken viele Deutsche. Was entgegnen Sie darauf?

Werfen wir einen Blick auf die Wirtschaftsstruktur: Liechtenstein ist das am höchsten industrialisierte Land Europas, fast 50 Prozent der Wertschöpfung erzielen wir in diesem Bereich. Und die klare Positionierung der liechtensteinischen Regierung in der internationalen Steuerpolitik sorgt dafür, dass wir weit entfernt sind vom Bild einer unkooperativen Steueroase. Damit haben wir nichts mehr zu tun.

Was hat sich denn verändert?

Wir haben 2009 ohne Wenn und Aber dokumentiert, dass wir in Steuerfragen zusammenarbeiten wollen, dass dies die Zukunftsstrategie unserer Regierung ist. Wir haben in kurzer Zeit mehr als 30 Steuerverträge abgeschlossen. Wir konnten insbesondere mit unseren wichtigen Handelspartnern ein Verhältnis aufbauen, das von Freundschaft geprägt ist. Mit Deutschland haben wir zwei Steuerverträge unter Dach und Fach gebracht. Das eine Abkommen bezieht sich auf den Austausch von Steuerinformationen, das zweite ist ein Doppelbesteuerungsabkommen.

Was raten Sie dem Privatanleger, der immer noch unversteuertes Geld in Liechtenstein hat?

Wir haben für die Kunden Rechtssicherheit geschaffen und bauen ihnen eine sichere Brücke in die Zukunft. Das ist unsere Verantwortung gegenüber dem Kunden, und es liegt im Interesse beider Staaten. Lösungen für die Vergangenheit sind dabei Teil unserer Strategie, und wir hoffen auf eine rasche Einigung.

Wie schnell diese Lösung kommt, hängt aber auch davon ab, wann Deutschland mit der Schweiz einig wird. Da sieht es im Moment ganz schlecht aus.

Wir haben natürlich ein Interesse an diesem Abkommen. Wir wollen aber auch, dass es am Ende keine Schlupflöcher gibt. Wir verhandeln parallel zur Schweiz; eine Abgeltungsteuer allein reicht uns allerdings nicht, im Fall Liechtenstein müssen beispielsweise auch die Stiftungen einbezogen werden, damit diese in Zukunft rechtssicher behandelt werden können.

Ist denn aus Ihrer Sicht gerecht, was Herr Schäuble mit der Schweiz ausgehandelt hat?

Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, muss zunächst der Wille da sein, eine Lösung zu erreichen – und die Erkenntnis, dass keine Lösung die schlechteste Alternative wäre. Dann braucht es immer ein Stück Pragmatismus, und der prägt dieses Abkommen. Auch wir werden die verschiedenen Interessen ganz pragmatisch auf den Tisch legen müssen.

Sie haben sich zuletzt in der Schweiz Ärger eingehandelt, weil Sie über einen automatischen Datenaustausch gesprochen haben. Wie weit könnte der gehen?

Die Entwicklungen nicht nur in Europa, sondern auch in den USA zeigen, dass das Thema auf die Staaten zukommt. Deswegen sollten wir uns damit beschäftigen, auch wenn es nicht im Geringsten unser eigenes Rechtsverständnis widerspiegelt. Wir werden uns nie aktiv für einen automatischen Datenaustausch einsetzen. Aber die Augen verschließen wir auch nicht.

Sind Sie sicher, dass die jetzt nach Liechtenstein fließenden Gelder alle versteuert sind?

Dafür kann kein Staat eine Garantie abgeben. Es liegt in der Verantwortung der einzelnen Institute, mit welchem Geschäftsmodell sie in der Zukunft ihr Geld verdienen wollen. Die politische Stoßrichtung unserer Regierung ist aber eindeutig: Wir wollen mit nachhaltigen, steuerkonformen Angeboten in Liechtenstein aufwarten. Es gibt viele Gründe, nach Liechtenstein zu kommen. Stichworte sind die politische und wirtschaftliche Stabilität und ein AAA-Rating mit konstantem Ausblick. Stabilität ist für uns zentral. Wenn wir heute von Oase sprechen, so sind wir eine Stabilitätsoase.

Ziehen Anleger Gelder aus Liechtenstein in Drittstaaten ab?

Das wird durchaus vorkommen. Unser Kunde der Zukunft sucht aber die stabilisierenden Faktoren des Finanzplatzes Liechtenstein. Ein Kunde, der kurzfristig Steuern vermeiden will, wird über kurz oder lang auch auf anderen Finanzplätzen die Situation antreffen, die er heute in Liechtenstein vorfindet.

In Deutschland wird über den Ankauf von Steuer-CDs debattiert. Ist ein solcher Ankauf illegal oder gerechtfertigt?

Unser Rechtsverständnis ist völlig klar: Wir halten den Ankauf von illegal erworbenen Daten nicht für rechtmäßig. Die deutschen Kollegen wissen, dass unsere Auffassungen diametral entgegengesetzt sind.

Neue Liechtensteiner Daten-CDs sind bisher nicht aufgetaucht.

Ich denke, dass die Berufsgattung des CD-Datendiebs allmählich ausstirbt. Wir haben eine solide, völkerrechtlich gesicherte Grundlage zwischen Deutschland und Liechtenstein, da ergibt es keinen Sinn mehr, sich Daten illegal zu beschaffen.

Das Interview führte Jörg Hilpert