Rena Lehmann zur Debatte über den Islam

Hinter dem Islam mag tatsächlich mehr stecken als nur eine Religion. Mehr steckt allerdings auch hinter der diffusen Angst, Deutschland könne schleichend und unbemerkt vom Grundgesetz zur Scharia übergehen.

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Hinter dem Islam mag tatsächlich mehr stecken als nur eine Religion. Mehr steckt allerdings auch hinter der diffusen Angst, Deutschland könne schleichend und unbemerkt vom Grundgesetz zur Scharia übergehen.

Viele, nennen wir sie Ur-Deutsche, haben plötzlich das Gefühl, etwas verteidigen zu müssen, von dem sie gar nicht so genau wissen, was es eigentlich ist. Die Auseinandersetzung mit dem Islam legt eine tiefgreifende Verunsicherung gegenüber der eigenen Identität offen. Wer sich seiner selbst aber nicht gewiss ist, reagiert hysterisch und ängstlich statt selbstbewusst auf das Fremde.

Ein Freund aus Rumänien, der mit 15 Jahren nach Deutschland kam, brachte es kürzlich auf den Punkt: Er habe damals, Mitte der 90er-Jahre, keine Ahnung gehabt, was Deutschland für ein Land sei, wofür es stehe und was gut daran ist – von Reichtum und Arbeitsplätzen einmal abgesehen. Seine neuen deutschen Klassenkameraden allerdings hätten ihm auf seine dringenden Fragen keine Antworten geben können, im Gegenteil. Binnen wenigen Tagen hatte er den Eindruck, im schlechtesten aller Länder gelandet zu sein. Einem Land, das seine unheilvolle Geschichte nicht angemessen verarbeitet hat, wo Ausländerfeindlichkeit und soziale Ungerechtigkeit grassieren, wo man nicht leben wollte, wäre man nicht zufällig hier geboren.

Inzwischen hat er selbst bessere Antworten auf seine Fragen von damals gefunden: Er lebt lieber hier als in Rumänien, weil er Meinungsfreiheit schätzt, weil er politische Streitkultur für notwendig erachtet, weil ein Rechtsstaat ihm seine individuelle Freiheit garantiert. Und weil er inzwischen auch die historisch gewachsene Selbstkritik, die ihn anfangs verwirrte, einem übersteigerten nationalen Selbstbewusstsein vorzieht.

Muslimen in Deutschland dürfte es ähnlich gehen wie dem Freund aus Rumänien. Auch für viele von ihnen handelt es sich bei diesem Land um kaum mehr als ein wirtschaftlich boomendes Fleckchen auf der Landkarte. Solange wir es aber selbst nur als solches betrachten, dürfte es kaum gelingen, sie von den für uns so selbstverständlichen Werten, um die uns jetzt so bange ist, zu überzeugen.

E-Mail an: rena.lehmann@rhein-zeitung.net